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Neue Indizien im Todesfall Jürgen Rose Angehörige erheben Mordvorwürfe gegen Dessauer Polizisten

Jürgen Rose ist 1997 nach Polizeigewahrsam in Dessau gestorben. Ermittlungen dazu wurden ergebnislos eingestellt. Eine Initiative beschuldigt nun Polizisten desselben Reviers, das durch den Tod Oury Jallohs bekannt wurde.
Iris Rose, Witwe des Verstorbenen, und Tochter Diane bei der Pressekonferenz: »Die Täter leben ja noch. Die haben ihr Leben, und die zeigen keine Reue«

Iris Rose, Witwe des Verstorbenen, und Tochter Diane bei der Pressekonferenz: »Die Täter leben ja noch. Die haben ihr Leben, und die zeigen keine Reue«

Foto: Sebastian Gollnow / dpa

Was Jürgen Rose in der Nacht vom 6. auf den 7. Dezember 1997 zwischen drei und fünf Uhr passiert ist, ist bis heute ungeklärt. Belegt ist einer Recherchegruppe zufolge, dass er vor drei Uhr in Polizeigewahrsam war, dass er zwei Stunden später schwer verletzt unweit des Dessauer Polizeireviers vor einem Hauseingang gefunden wurde. Und dass er am 8. Dezember 1997 an schweren inneren Verletzungen starb. Die Recherchegruppe hat nun, gemeinsam mit Hinterbliebenen Roses, neue Anschuldigungen gegen Dessauer Polizeibeamte erhoben. Man sei zu dem Ergebnis gekommen, dass ihn mindestens vier Polizisten der Nachtschicht körperlich misshandelt hätten, sagte Nadine Saeed vom Recherche-Zentrum bei einer Pressekonferenz am Donnerstag.

Das Recherche-Zentrum ist ein Zusammenschluss von Medienschaffenden und Aktivisten, die nach eigenen Angaben  »staatlich unabhängige Aufklärungsarbeit in Fällen von mutmaßlichen Polizeimorden« leisten. Die Gruppe habe am Donnerstag eine 40-seitige Anzeige wegen Mordes beim Generalbundesanwalt eingereicht.

Die Pressestelle des Generalbundesanwalts bestätigte dem SPIEGEL den Eingang der Anzeige. Nun werde geprüft, ob die Bundesanwaltschaft für den Fall zuständig sei. Die höchste deutsche Ermittlungsbehörde wird in der Regel nur bei Staatsschutzdelikten, wie etwa Rechtsextremismus, oder Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, wie etwa Kriegsverbrechen, tätig. Andernfalls sind die Länder für die Strafverfolgung zuständig. Die Polizei Dessau wollte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa zu den Vorwürfen nicht äußern.

Rose, damals 36 Jahre alt und Vater kleiner Kinder, war gestorben, nachdem man ihn hilflos unweit des Polizeireviers vor einem Hauseingang gefunden hatte. Tags zuvor hatte er sich wegen Alkohol am Steuer in Polizeigewahrsam befunden. Sein Tod sei bis heute nicht aufgeklärt worden, so das Recherche-Zentrum. Zuletzt seien die Ermittlungen 2014 ergebnislos eingestellt worden.

Ermittlungsakte angeblich manipuliert

Die Initiative stützt ihre Anzeige unter anderem auf ein Gutachten des britischen Schriftforensikers John Welch, der den sogenannten Lagefilm der Polizei, in dem die Einsätze dokumentiert werden, analysiert hatte. »Es ist das zentrale Dokument, welches die Chronologie rund um den 7. und 8. Dezember 1997 im Polizeirevier Dessau vorgibt«, sagte Luke Harrow vom Recherche-Zentrum.

Welchs Befunde würden gutachterlich belegen, dass die Ermittlungsakte manipuliert wurde – »unserer Meinung nach in der Absicht, die Geschehnisse des Abends falsch darzustellen, um den Verdacht von den mutmaßlich beteiligten Polizeibeamten abzulenken«, so Harrow.

Bereits am Dienstag hat das Recherche-Zentrum einen gut 20-minütigen Film über den Fall Rose  veröffentlicht. Dazu haben sie die Ermittlungsakten studiert und anschließend veröffentlicht  sowie Interviews mit Beteiligten geführt, unter anderem mit einer Rechtsmedizinerin. Diese habe ausgeschlossen, dass der Fundort der Tatort war. Auch habe sie an Roses Körper Gewalteinwirkungen festgestellt, wie sie von Schlagstöcken kommen könnten.

Es ist nicht der einzige Todesfall, der im Dessauer Polizeirevier für Aufsehen gesorgt hatte. Bundesweit machte der Tod von Oury Jalloh Schlagzeilen. 2005 war sein Körper nach einem Feuer in seiner Zelle verbrannt. Auch ein dritter Fall 2002 ist bis heute ungeklärt. Laut Recherche-Zentrum gab es bei den diensthabenden Beamten personelle Überschneidungen.

»Die Täter leben ja noch. Die haben ihr Leben, und die zeigen keine Reue«, sagte die Witwe Roses am Donnerstag bei der Pressekonferenz der Recherchegruppe laut einer Mitteilung der Linken. Die Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt forderte, dass nun sorgsam geprüft werden müsse, ob die neuen Informationen neue Ansätze für Ermittlungen und Aufklärung der Todesumstände ergeben.

sun/dpa