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Niederschlagung von Unabhängigkeitsprotesten Frankreichs Parlament verurteilt Massaker an algerischen Demonstranten im Jahr 1961

Vor über 60 Jahren töteten Sicherheitskräfte in Paris mutmaßlich Dutzende Demonstranten bei algerischen Unabhängigkeitsprotesten. Eine Abgeordnete spricht von einem »Staatsverbrechen«.
Algerische Demonstranten in Puteaux, westlich von Paris, am 17. Oktober 1961

Algerische Demonstranten in Puteaux, westlich von Paris, am 17. Oktober 1961

Foto: Fernand Parizot / AFP

Das französische Parlament hat das Massaker an algerischen Demonstranten in Paris 1961 als »blutige und mörderische Unterdrückung« bewertet. In der spärlich besetzten Nationalversammlung stimmten 67 Abgeordnete für eine entsprechende Resolution, elf dagegen. Der Text ruft auch dazu auf, einen nationalen Gedenktag für die Opfer vom 17. Oktober 1961 festzulegen.

An dem Tag waren zahlreiche für die Unabhängigkeit ihres Landes demonstrierende Algerier in der französischen Hauptstadt getötet worden. Nach Recherchen von Historikern wurden zwischen 30 und 200 Menschen getötet. Offiziellen Angaben von damals zufolge waren es lediglich drei. Der damalige Polizeipräfekt von Paris, Maurice Papon, erklärte nach dem Massaker, die Polizisten hätten aus Notwehr gehandelt.

Die Resolution sei ein »erster Schritt« zur Anerkennung eines »Staatsverbrechens«, sagte die grüne Abgeordnete Sabrina Sebaihi; sie hatte die Resolution auf den Weg gebracht. Das Wort »Staatsverbrechen« kommt darin allerdings nicht vor.

Präsident Hollande ließ Massaker anerkennen

Staatssekretärin Dominique Faure sprach vor der Nationalversammlung von einer Demonstration, die von Einheiten unter dem Befehl von Papon »gewaltsam niedergeschlagen« wurde. Dabei seien »Dutzende« getötet worden, ihre Leichen seien in die Seine geworfen worden.

2012 hatte der damalige französische Staatschef, der Sozialist François Hollande, offiziell das Massaker anerkannt. Präsident Emmanuel Macron hatte 2021 als erster Präsident an einem Gedenken für die Opfer teilgenommen. Macron hielt keine Rede, sondern sprach nach einer Schweigeminute und einer Kranzniederlegung an einer Seine-Brücke mit Angehörigen der Opfer.

Macron habe im Gespräch mit Angehörigen »die Fakten anerkannt« und die »unter Papon« begangenen Verbrechen als »unverzeihlich für die Republik« bezeichnet, erklärte der Élysée-Palast. Das Massaker sei lange Zeit »verschwiegen, geleugnet oder verschleiert« worden. Kritiker monierten, dass der Élysée lediglich Papon erwähnte, nicht aber den damaligen Präsidenten Charles de Gaulle.

Proteste während des algerischen Unabhängigkeitskrieges

An den Protesten am 17. Oktober 1961 – inmitten des algerischen Unabhängigkeitskrieges – hatten Zehntausende Algerier teilgenommen. Die algerische Nationale Befreiungsfront (FLN) hatte dazu aufgerufen, gegen eine in Paris verhängte nächtliche Ausgangssperre für »muslimische Algerier« zu protestieren. Sicherheitskräfte schossen auf die Demonstranten, schlugen auf sie ein und warfen einige in die Seine.

Papon blieb noch bis 1967 Polizeipräfekt von Paris. In den Achtzigerjahren wurde bekannt, dass er während des Zweiten Weltkriegs mit den Nationalsozialisten kollaboriert hatte und an der Deportation von Juden beteiligt gewesen war. 1998 wurde er wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu zehn Jahren Haft verurteilt, kam aber vorzeitig frei.

fek/AFP