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Israels Vorgehen im Gazastreifen Irland setzt sich für Ausweitung der Genozid-Definition ein

Südafrika wirft Israel vor dem IGH einen Genozid in Gaza vor. Nun will sich Irland in den Prozess einschalten. Auch das Verweigern humanitärer Hilfe könne auf genozidale Absichten hindeuten.
Irlands Außenminister Micheál Martin: »Kollektive Bestrafung einer ganzen Bevölkerung«

Irlands Außenminister Micheál Martin: »Kollektive Bestrafung einer ganzen Bevölkerung«

Foto: Bing Guan / REUTERS

Israel gerät für sein Vorgehen im Gazastreifen international zunehmend in die Kritik, Südafrika wirft dem Land in einem laufenden Klageverfahren vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag Völkermord an den Palästinensern vor. In einer ersten Vorentscheidung Ende Januar hatte das Gericht Israel bereits dazu verpflichtet, humanitäre Hilfe im Küstengebiet zu ermöglichen.

Ob diese inzwischen in ausreichendem Maße erfolgt, bleibt jedoch strittig. Irland drängt nun darauf, die Genozid-Definition zu erweitern. Wie Außenminister Micheál Martin mitteilte, werde sich das Land in das Verfahren am IGH einschalten und argumentieren, dass die Beschränkung von Nahrung und anderer Grundlebensmittel genozidale Absichten darstellen könne.

»Wir werden das Gericht auffordern, die Frage zu erörtern, wie man auf der Grundlage der kollektiven Bestrafung einer ganzen Bevölkerung bestimmen kann, ob ein Völkermord stattgefunden hat oder nicht«, sagte Martin dem »Guardian «. »Wir glauben, dass angesichts der Art und Weise, wie dieser Krieg geführt wurde, ein Fall vorliegt«, so der Minister. Wie konkret die Beteiligung am IGH-Verfahren aussehen wird, ließ Martin jedoch offen.

Laut Martin droht der Hälfte der Bevölkerung im Gazastreifen eine Hungersnot, die gesamte Population sei von Ernährungsunsicherheit betroffen. Martin äußerte sich damit in ähnlicher Weise wie zuletzt der Uno-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk.

Uno-Menschenrechtskommissar erhob Genozid-Vorwurf

Türk hatte in der vergangenen Woche in Genf mitgeteilt, er sehe Anzeichen dafür, dass Israel den Hunger im Gazastreifen als Kriegsmethode einsetzt. Dies sei ein Kriegsverbrechen, so Türk. »Die Situation mit Hunger, Verhungern und Hungersnot ist eine Folge der umfassenden israelischen Beschränkungen bei der Einfuhr und Verteilung von humanitärer Hilfe und Handelsgütern, eine Folge der Vertreibung des größten Teils der Bevölkerung sowie der Zerstörung wichtiger ziviler Infrastruktur«, sagte Türk.

Die Uno warnt bereits seit Wochen vor einer unmittelbar bevorstehenden Hungerkatastrophe. Etwa 1,1 Millionen Menschen seien dort in der schlimmsten Notlage. Israel führt im Gazastreifen seit fast einem halben Jahr eine umfassende Militäroperation durch und plant trotz massiver Kritik eine Offensive in der mit Flüchtlingen überfüllten Stadt Rafah.

Auslöser für den Krieg war das Massaker der Hamas und anderer islamistischer Gruppen in Israel am 7. Oktober 2023. Dabei wurden rund 1140 Menschen getötet und rund 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt. Im Zuge israelischer Angriffe starben nach Angaben der Gesundheitsbehörden in Gaza bislang mehr als 32.000 Menschen. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Im Dezember hatte Südafrika wegen des Israel-Gaza-Kriegs vor dem IGH den Vorwurf des »Völkermords« gegen Israel erhoben. Das Gericht wies Israel Ende Januar an, bei seinem Militäreinsatz im Gazastreifen alles zu tun, um einen Völkermord zu verhindern, die palästinensische Bevölkerung zu schützen und humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Ein weiterer Eilantrag Südafrikas gegen Israel wegen seiner bevorstehenden Militäroffensive in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen wurde zurückgewiesen.

Große Hungersnot in Irland forderte Hunderttausende Tote

Der irische Vorstoß dürfte auch durch die eigene Landesgeschichte motiviert sein. Infolge der sogenannten Großen Hungersnot zwischen 1845 und 1849 starben im heutigen Irland, das damals noch vollständig unter britischer Kontrolle stand, rund eine Million Menschen. Trotz der durch Kartoffelfäule verursachten Nahrungsmittelknappheit wurden aus Irland weiter Lebensmittel nach Großbritannien exportiert. Die Hungersnot prägt das irische Nationalbewusstsein bis heute.

Irland setzt sich bereits seit Längerem für einen unabhängigen palästinensischen Staat ein.

fek/Reuters