Die Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden und die
Treibhausgasemissionen auf null zu reduzieren. Mit dem Netto-Null-Ziel 2050 will der Bundesrat
sicherstellen, dass die Schweiz ihren Beitrag leistet, damit die globale Klimaerwärmung auf 1.5 Grad
begrenzt wird. In einer neuen Studie hat Jürg Rohrer, Leiter der ZHAW-Forschungsgruppe
Erneuerbare Energien am Departement Life Sciences und Facility Management, die
Zusammenhänge zwischen CO2-Budget der einzelnen Länder und globaler Erwärmung untersucht.
Bezüglich der Schweiz kommt er zum Schluss: Netto-Null bis 2050 reicht nicht.
Eine
Frage der (gerechten) Verteilung
Die entscheidende Frage ist, wie das globale CO2-
Budget auf die Länder verteilt wird. Wer darf noch wie viel Treibhausgase ausstossen, damit das 1.5-
Grad-Ziel erreichbar bleibt? «Bei einer Aufteilung des weltweiten CO2-Budgets auf die einzelnen
Länder nach Bevölkerungszahlen müsste die Schweiz Netto-Null bis 2035 erreichen, vorausgesetzt,
die Emissionen werden ab sofort und linear reduziert», sagt ZHAW-Forscher Jürg Rohrer. Die
Energieperspektiven des Bundes zielen jedoch auf Netto-Null bis 2050 ab. Unter der Annahme, dass
sich der Rest der Welt vergleichbare Ziele setzt, könnte damit lediglich eine Begrenzung auf 1.7 bis 2
Grad erreicht werden. Schweizer Szenarien für ein früheres Erreichen des Ziels als 2050 gibt es
keine.
Industriestaaten in der Verantwortung
Mit dem Netto-Null-Ziel bis 2050
nimmt die Schweiz für sich in Anspruch, dass ihr auch für die nächsten dreissig Jahre ein grösseres
Budget zur Verfügung steht als jenen Ländern, die bisher weniger emittiert haben. Denn diese
müssten ihre vergleichsweise bescheideneren Emissionen ebenfalls bis 2050 auf null senken. Damit
dürften jene, welche die Klimaerwärmung primär verursacht haben, weiterhin mehr dazu beitragen.
Oder bildlich gesprochen: Wer sich bisher die grossen Kuchenstücke gesichert hat, bekommt auch
vom Rest den grössten Teil. Für Länder mit geringen pro-Kopf-Emissionen stellt sich laut Rohrer die
Frage der Fairness: «Denn die fossilen Energien sind ein wichtiger Grund für den Wohlstand von
Ländern wie der Schweiz. Ein Teil dieses Geldes müsste in Strategien und Technologien für die
Umstellung investiert werden, damit ärmere Länder diese übernehmen könnten.»
Kurswechsel würde sich lohnen
Anstatt ihre Emissionen bis 2050 auf null zu
reduzieren, müsste sich deshalb die Schweiz ein Netto-Null-Ziel bis 2035 setzen und die
entsprechenden Transformationen in Angriff nehmen. Das Energiesystem muss also deutlich
schneller dekarbonisiert werden. Frühere Studien haben gezeigt, dass dies nicht nur machbar ist,
sondern sich volkswirtschaftlich sogar auszahlen würde.
Im Rahmen der Beratung des
Stromversorgungs- und des Energiegesetzes diskutiert das Parlament derzeit über ein verbindliches
Ausbauziel für Strom aus neuen erneuerbaren Energien von 35 Terawattstunden bis 2035. Dies ist
ein wesentlich rascherer Umstieg auf erneuerbare Energien als vom Bundesrat vorgeschlagen –
bisher waren 17 Terawattstunden als unverbindlicher Richtwert vorgesehen. Gemäss Jürg Rohrer ist
dies ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um das Netto-Null Ziel bereits vor 2050 zu
erreichen. Es müssten aber weitere Massnahmen und vor allem eine Änderung des Ziels auf Netto-
Null bis 2035 erfolgen.
Kontakt
Prof. Jürg Rohrer, Leiter Forschungsgruppe
Erneuerbare Energien, ZHAW-Departement Life Sciences und Facility Management, Tel. 058 934 54
33, E-Mail juerg.rohrer@zhaw.ch
Cornelia Sidler, Media
Relations, ZHAW-Departement Life Sciences und Facility Management, Tel. 058 934 53 66, E-Mail
cornelia.sidler@zhaw.ch
ZHAW Zürcher
Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Corporate Communications, Gertrudstrasse 15,
Postfach, CH-8401 Winterthur, Tel. +41 58 934 75 75, medien@zhaw.ch, www.zhaw.ch/medien