Die Schweiz steht vor einer weiteren Unternehmenssteuerreform, weil ab 2024 für internationale
Grosskonzerne weltweit dieselben Besteuerungsregeln gelten sollen. Damit andere Staaten nicht
einen Teil der hierzulande erwirtschafteten Gewinne besteuern können, möchte der Bundesrat im
Einklang mit den OECD-Vorgaben eine neue Steuer einführen. Die sogenannte Ergänzungssteuer
soll sicherstellen, dass alle betroffenen Konzerne den Mindeststeuersatz von 15% erreichen.
Warum auf den Bundesanteil an der Ergänzungssteuer verzichtet werden sollte
Ab 2024
sollen ein Viertel der Einnahmen aus der Ergänzungssteuer an den Bund und drei Viertel an die
Kantone fliessen. Am Ursprung dieser Aufteilung - und Forderungen nach einer Erhöhung des
Bundesanteils - stehen hohe Erwartungen hinsichtlich Mehreinnahmen. Diese vernachlässigen den
Effekt der höheren Steuerbelastung auf die Unternehmensgewinne. Wie die vorliegende Analyse
zeigt, ist mit einem moderaten Rückgang derselben zu rechnen. Die Mehreinnahmen werden folglich
überschätzt.
Vor diesem Hintergrund droht der Bundesanteil den finanziellen Spielraum der
Kantone unnötig einzuengen. Besonders für ressourcenstarke Kantone mit einem Steuersatz nahe
oder über 15% könnte die Reform bereits bei einer geringen Abnahme der Unternehmensgewinne zu
einem Verlustgeschäft werden. Die zusätzliche Umverteilung wäre zudem ein Fremdkörper im
föderalen Gefüge, verfügt die Schweiz doch über einen funktionierenden Finanzausgleich, der
interkantonale Disparitäten effektiv reduziert.
Paradigmenwechsel bei Förderung von
Forschung und Entwicklung verlangt Transparenz seitens der Kantone
Die OECD nimmt mit
dem neuen Regelwerk auch auf die Investitionsförderung Einfluss. Das ist relevant, weil die
Ausweitung der steuerlichen Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (F&E) eine der
meistgenannten Massnahmen ist, wenn es um die Kompensation der mit der Mindeststeuer
verbundenen Standortnachteile geht.
Zwar verbietet die OECD kein spezifisches
Förderinstrument, sie bevorzugt jedoch eine Steuergutschrift, die wie eine Direktzahlung unabhängig
vom wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens gewährt wird. Bevor die Kantone genehmigte
Steuergutschriften in bar erstatten und damit einen Paradigmenwechsel vollziehen, sollen sie
Transparenz über die gewährten Steuererleichterungen schaffen - dazu gibt es heute auf kantonaler
Ebene keinerlei Informationen.
Auf Erhalt und Stärkung der allgemeinen
Rahmenbedingungen konzentrieren
Spezifische Kompensationsmassnahmen, die über eine
moderate steuerliche F&E-Förderung hinausgehen, sind hingegen fehlgeleitet. Stattdessen müssen
Massnahmen zur Stärkung der eigenen Position im Standortwettbewerb breit und allgemein angelegt
sein und sich auf die Rahmenbedingungen für alle Unternehmen konzentrieren, indem
Wettbewerbshürden konsequent ausgemerzt werden.
Digitalisierung der Verwaltung:
Mangelhaft digitalisierte Behörden stellen einen solchen Nachteil dar, der Firmen und Verwaltung um
Effizienzgewinne bringt. Zur Korrektur dieser Defizite bedarf es auf allen Staatsebenen einer
konsequenten Digitalisierung der Basisdienstleistungen, damit Prozessinnovationen vorangetrieben
werden können.
Steuern: Im Steuerbereich sind vor allem die Kantone gefordert: Neben der
konsequenten Pflege der kundenorientierten Steuerkultur lassen sich die Rahmenbedingungen vor
allem durch eine Reduktion der Vermögens- und Kapitalertragssteuern verbessern.
Fachkräfte: Zur Entspannung des Fachkräftemangels würde in kürzerer Frist vor allem der
erleichterte Zugang zu gut ausgebildeten Fachkräften aus Drittstaaten und die Einführung der
Individualbesteuerung beitragen. Längerfristig sollten eine höhere MINT-Quote und ein grösserer
Pool an digital affinen Schülerinnen und Schüler angestrebt werden.
Handelspolitik: Zur
Sicherung des für eine kleine, offene und innovative Volkswirtschaft essenziellen Zugangs zu
internationalen Märkten muss der Bund die Beziehungen mit der EU klären und die Hürden im
Dienstleistungshandel reduzieren.
Weshalb die internationale Steuerpolitik eine
Dauerbaustelle bleibt
Man könnte die Mindeststeuer als letzten Akt in den Bemühungen um
die Harmonisierung in der internationalen Steuerpolitik betrachten. Tatsächlich greift die Reform tief in
die nationale Besteuerungssouveränität ein und geht damit entschieden weiter als alle bisherigen
internationalen Koordinationsbemühungen. Allerdings täuscht die Einigung von beinahe 140 Staaten
vom Juli 2021 über zahlreiche praktische Probleme hinweg, die bereits vor der eigentlichen
Umsetzung Unsicherheit streuen. So stossen die Regeln im Detail auf ernst zu nehmenden
politischen Widerstand und sind stark abhängig von leicht beeinflussbaren
Rechnungslegungsstandards. Ein Ende der Debatte um die Gestaltung der internationalen
Unternehmensbesteuerung ist nicht in Sicht. Umso wichtiger ist eine schlanke Umsetzung im Inland,
die den Föderalismus respektiert und dirigistischen Massnahmen zugunsten politisch bestimmter
Ziele oder einzelnen Unternehmen und Branchen widersteht.
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Lukas Schmid
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