In der Schweiz sind rund 200 Medizinische Praxiskoordinatorinnen (MPK) in Hausarztpraxen
tätig. Sie unterstützen Ärztinnen und Ärzte bei der Betreuung chronisch kranker Patienten. MPK sind
ursprünglich als Medizinische Praxisassistentinnen (MPA) ausgebildet. Nach einigen Jahren
Berufspraxis können sie die Zusatzausbildung zur MPK machen.
Die Studie
"Interprofessionalität in der Grundversorgung bei Typ-2-Diabetes" des Forschungsteams um Sven
Streit und Anna-Katharina Ansorg am BIHAM zeigt, dass komplexe und zeitintensive
Betreuungsaufgaben von der Hausärzteschaft zur MPK verlagert werden können. Von
Blutzuckermessungen über Fussuntersuchungen bis hin zur Ernährungs- und Bewegungsberatung -
MPK können bei der Betreuung von Diabetes-Patienten viele Leistungen gleichwertig übernehmen.
"Die hohe Qualität der Diabetesbetreuung durch die Ärzteschaft wird mit dem Einsatz von
Medizinischen Praxiskoordinatorinnen erhalten. Die interprofessionelle Arbeit wird Ärztinnen und
Ärzten helfen, mehr Sprechstundenzeit für die komplexeren Patienten bereitzustellen", konstatiert
Co-Studienleiter Sven Streit.
Der Einsatz von Medizinischen Praxiskoordinatorinnen hat
grosses Potenzial
Die Querschnittsstudie vergleicht die Betreuung von Patienten mit Typ-2-
Diabetes in Praxen mit und ohne MPK. Die Studie zeigt einerseits, dass Patientinnen und Patienten
mit Typ-2-Diabetes in Hausarztpraxen ohne MPK auf einem sehr hohen Qualitätsniveau behandelt
werden. Und andererseits erzielen die untersuchten Praxen mit MPK bezüglich der
Behandlungsqualität und Zufriedenheit mit der Behandlung gleich gute Resultate. Anna-Katharina
Ansorg ist vom Potenzial der MPK überzeugt: "Die Ärztinnen und Ärzte, die an unserer Studie
teilgenommen haben und selber eine MPK beschäftigen, haben die interprofessionelle
Zusammenarbeit durchweg positiv bewertet".
Hilft der Einsatz der MPK vielleicht auch,
die Gesundheitskosten zu dämpfen? Sven Streit ist optimistisch: "Wir haben deutliche Hinweise
auf das Potenzial geringerer Kosten in einem Modell mit MPK. Jeder Diabetiker, der gut betreut wird,
verursacht längerfristig tiefere Gesundheitskosten."
Die Studienresultate stützen das Ziel
des Bundesrats, die interprofessionelle Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zu stärken. Bei der
Umsetzung stossen Ärztinnen und Ärzte jedoch auf Hindernisse. So ist es derzeit nicht möglich, die
Leistungen der MPK abzurechnen, weil es im TARMED keine Position dafür gibt. Die Hoffnung liegt
auf dem neuen Tarifmodell TARDOC: Dieses sieht spezielle Tarifpositionen für interprofessionelle
Arbeiten zum Beispiel von MPK vor. Dazu Esther Hilfiker, Präsidentin der Aerztegesellschaft des
Kantons Bern: "Wir hoffen, dass die nun wissenschaftlich belegte qualitativ hochstehende Arbeit
der Medizinischen Praxiskoordinatorin bald ihre Abbildung in der Tarifstruktur findet".
Mitautoren der Studie: Katharina Tabea Jungo (BIHAM), Esther Hilfiker (BEKAG), Rainer Felber
(BEKAG), Judith Trageser (INFRAS), Beat Pierre Arnet (KPT), Marianne Schenk (Schweizerischer
Verband Medizinischer Praxis-Fachpersonen SVA)
Querschnittsstudie "Interprofessionalität
in der Grundversorgung bei Typ-2-
Diabetes" des Forschungsteams um Sven Streit und Anna-Katharina Ansorg am BIHAM, unterstützt
durch die Aerztegesellschaft des Kantons Bern (BEKAG), INFRAS, KPT Krankenkasse, Visana und
den Schweizerischen Verband Medizinischer Praxis-Fachpersonen SVA, die FMH sowie Diabetes
Schweiz und die Schweizerische Diabetes-Stiftung.
Teilgenommen haben 22 Praxen aus der
Deutschschweiz, darunter zwölf mit MPK. Die Stichprobe umfasst rund 170 Patientinnen und
Patienten, die bei Beginn der Untersuchung im August 2020 seit mindestens einem Jahr in
Behandlung waren. Der Vergleich basiert auf "Patient-reported outcome/experience measures"
(PROMs und PREMs) sowie auf den Kriterien der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie
und Diabetologie (SGED) für "gutes" Disease-Management Diabetes. Die Patientensicht und
diabetesspezifische Lebensqualität stehen damit im Hauptfokus.
Mitautoren der Studie:
Katharina Tabea Jungo (BIHAM), Esther Hilfiker (BEKAG), Rainer Felber (BEKAG), Judith Trageser
(INFRAS), Beat Pierre Arnet (KPT), Marianne Schenk (SVA)
Pressekontakt:
Für Auskünfte
Marco Tackenberg,
Presse- und Informationsdienst Aerztegesellschaft des Kantons Bern, Tel: 031 310 20 99, E-Mail:
marco.tackenberg@bekag.ch.
Charlotte Schweizer, Leiterin Kommunikation
FMH, Tel: 031 359 11 50, E-Mail: kommunikation@fmh.ch.
Prof. Dr. med. Dr. phil. Sven Streit, Co-Studienleiter,
Leiter Interprofessionelle Grundversorgung am Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM). Tel: 031
684 58 75, E-Mail: sven.streit@biham.unibe.ch.
Dr. med. Esther Hilfiker, Präsidentin der
Aerztegesellschaft des Kantons Bern und Mitautorin der Studie. Tel: 031 330 90 00 (erreichbar am
24.6.2022 von 13.00 - 15.00 Uhr), E-Mail: esther.hilfiker@hin.ch.