Die angespannte Preissituation an den Grosshandelsmärkten für Strom führt dazu, dass in der
Schweiz mit einem Strompreisanstieg für die Endverbraucherinnen und Endverbraucher in der
Grundversorgung zu rechnen ist. Um eine erste Einschätzung zur Preisentwicklung vornehmen zu
können, hat der VSE Anfang Mai bei seinen Mitgliedern eine Umfrage durchgeführt. Die
eingegangenen Antworten lassen eine repräsentative Aussage auf die ganze Schweiz zu.
Gemäss der VSE Umfrage werden die Hälfte der befragten EVUs im kommenden Jahr den
Strompreis in der Grundversorgung um ungefähr 20 Prozent oder mehr erhöhen müssen. Ein Anstieg
des Strompreises von 21 Rappen pro Kilowattstunde im Jahr 2022 auf rund 25 Rappen pro
Kilowattstunde für 2023 käme einer finanziellen Mehrbelastung von rund 180 Schweizerfranken für
einen 5-Zimmerhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 4'500 Kilowattstunden gleich. Für
Gewerbebetriebe, zum Beispiel eine grosse Bäckerei oder ein Gastrobetrieb, mit einem
Jahresverbrauch von 150'000 kWh ist mit Mehrkosten von rund 6'000 Schweizerfranken zu rechnen.
Der Strompreis der grundversorgten Endkundinnen und Endkunden setzt sich zusammen
aus drei Komponenten: Netzkosten (ca. 49%), Energie (ca. 33%) und Abgaben (ca. 18%). Vor allem
der Teil Energie, auf den sich die VSE Umfrage bezieht, steigt aufgrund der angespannten Situation
am Markt teilweise stark und lässt die oben genannten Rückschlüsse auf den gesamten Endkunden-
Strompreis zu.
Warum steigen die Strompreise in der Grundversorgung?
Die
Strommarktpreise sind 2021 unter anderem aufgrund höherer Brennstoff- und CO2-Preise sowie
Kraftwerksausfällen und -abschaltungen stark angestiegen. Die Entwicklungen führten dazu, dass die
Strompreise an den Grosshandelsmärkten Ende letzten Jahres die mit Abstand höchsten Werte seit
13 Jahren erreichten. Mit dem Krieg in der Ukraine verschärft sich die bereits angespannte
Preissituation. EVUs, die den Strom ihrer grundversorgten Endkundinnen und Endkunden
mehrheitlich am Markt beschaffen, sind stark von der aktuellen Entwicklung betroffen. Ihre Kundinnen
und Kunden profitierten dafür in den vergangenen Jahren von sehr tiefen Beschaffungspreisen.
Steigen die Strompreise einheitlich?
Nein. Die Bandbreite des Strompreisanstiegs ist
von EVU zu EVU unterschiedlich und liegt teilweise weit auseinander. Die Unterschiede hängen
wesentlich davon ab, ob Strom mehrheitlich über Eigenproduktion bezogen oder am Markt beschafft
wird. Vier von fünf EVUs gaben an, Strom mehrheitlich am Markt zu beschaffen, wobei die Hälfte
diesen langfristig einkauft (zwei bis drei Jahre im Voraus). Die am Markt tätigen EVUs gehen davon
aus, die Strompreise stärker erhöhen zu müssen als jene, die hauptsächlich aus Eigenproduktion
beziehen.
Treiben 2023 auch höhere Netzkosten den Strompreis in die Höhe?
Auch
bei den Netzkosten ist 2023 ein leichter Anstieg zu erwarten. Die Swissgrid hat bereits im März
angekündigt, den Tarif für das Übertragungsnetz zu erhöhen. Ein 5-Zimmerhaushalt
(Jahresverbrauch 4'500 kWh) muss etwa 20 Schweizerfranken mehr bezahlen für das Netz, ein
Gewerbebetrieb rund 670 Schweizerfranken (Jahresverbrauch 150'000 kWh). Die Netzkosten für die
unteren Verteilnetze sind noch nicht bekannt. Der Kapitalzinssatz für Stromnetze (WACC) bleibt im
Tarifjahr 2023 unverändert. Dass dieser weiterhin 3,83% beträgt, begrüsst der VSE. Diese Stabilität
gibt die nötige Sicherheit für die unabdingbaren Investitionen in die Stromnetze.
Wann
werden die definitiven Strompreise für das nächste Jahr bekannt gegeben?
Die VSE
Umfrage ist als erste Einschätzung zu verstehen, da teilweise die Beschaffung noch nicht
abgeschlossen ist und die Netzkosten der unteren Verteilnetze noch nicht bekannt sind. Die finalen
Strompreise für die Endkundinnen und Endkunden in der Grundversorgung liegen Ende August vor.
Die Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom wird sie bekannt geben.
Wie sieht die
mittelfristige Entwicklung des Strompreises aus?
Mit dem anhaltenden Krieg in der Ukraine
und der Möglichkeit eines Öl- und Gasembargos für Importe aus Russland dürfte die Preissituation
an den Grosshandelsmärkten angespannt bleiben.
Was können Verbraucherinnen und
Verbraucher in der Grundversorgung tun, um die Preiserhöhungen abzufedern?
Aktuell
haben Verbraucherinnen und Verbraucher in der Grundversorgung nur geringe tarifliche Anreize,
ihren Stromverbrauch zu optimieren. Die hohen Preise können einen Anreiz zu einem rascheren
Vorantreiben von Energieeffizienzmassnahmen sein - ein wichtiger Pfeiler auch der VSE Roadmap
Versorgungssicherheit.
Jede Kilowattstunde zählt - ob produziert oder eingespart. Der
VSE setzt sich für bessere Rahmenbedingungen ein, damit der Ausbau der erneuerbaren Energien
im Inland endlich vorwärtskommt. Insbesondere müssen die Bewilligungsverfahren für alle Energieprojekte -
auch für die Netzinfrastruktur - beschleunigt werden. Mit seiner Roadmap zur Versorgungssicherheit hat der VSE im
Dezember 2021 in über 40 Massnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufgeführt, wie
eine sichere und nachhaltige Stromversorgung in einem erneuerbaren Energiesystem möglich ist. Die
Massnahmen sind jetzt unverzüglich einzuleiten.
Pressekontakt:
Claudia Egli
Bereichsleiterin Kommunikation
Tel. +41 62 825 25
30
claudia.egli@strom.ch