In der Schweiz fliesst aus dem Glücksspiel jedes Jahr rund 1 Mrd. Fr. in politisch definierte
Töpfe. Entgegen dem allgemeinen Verständnis alimentieren gewisse Casinos die Staatskassen ihrer
Standortkantone und -gemeinden. Und um die beiden Lotterieanbieter Swisslos und Loterie
Romande hat sich in den Kantonen über die Jahre eine eigentliche "Geldverteil-Industrie" etabliert.
Dabei werden Glücksspielgelder in teilweise umstrittene Projekte kanalisiert.
Ineffizient und
mit Interessenkonflikten beladen
Die Organisation des Glücksspielwesens ist nicht nur
politisiert, sondern auch ineffizient. Allein die administrativen Kosten der rund 80 kantonalen
Lotteriefonds werden in der neuen Avenir-Suisse-Studie auf jährlich 16 bis 22 Mio. Fr. geschätzt; die
Gesamtheit der Friktionskosten des heutigen Systems fällt weitaus höher aus. Schwerwiegender als
diese Kosten sind derweil die Interessenkonflikte, die mit der Verflechtung verschiedener Staatsrollen
einhergehen.
Dadurch wird gemäss den beiden Autoren Jürg Müller und Basil Ammann die
Rolle des Regulators geschwächt, was einen sachgerechten Umgang mit der Spielsuchtproblematik
erschwert. Zudem wird eine grundlegende Reform des Glücksspielwesens verhindert, die sich mit der
Digitalisierung aufdrängt. Neuerdings fordern nicht nur "klassische" Online-Casinos, sondern
zunehmend auch auf der Blockchain basierende Glücksspiele die Regulatoren heraus.
Das
historisch gewachsene Schweizer System wird durch diesen technologischen Wandel besonders
stark getroffen. Zwar trat 2019 ein neues Geldspielgesetz in Kraft, dieses hat aber die grundlegenden
Probleme im Glücksspielwesen keineswegs gelöst. Der gesetzgeberische Handlungsbedarf dürfte
sich schon bald wieder akzentuieren.
Direkte Rückverteilung an die Bevölkerung
Avenir Suisse hat deshalb eine dreiteilige Reformagenda erarbeitet, um das Schweizer
Glücksspielwesen ins 21. Jahrhundert zu überführen:
- In einem ersten
Schritt soll der Staat sich von Beteiligungen an Glücksspielanbietern zurückziehen und die Verteilung
von Glücksspielgeldern entpolitisieren. In der Studie wird dafür u.a. eine direkte Rückverteilung an die
Bevölkerung vorgeschlagen - basierend auf Daten von 2019 wären das rund 115 Fr. pro Kopf und
Jahr. Eine solche Verteilung wäre nicht nur effizienter und fairer, sondern würde auch die heiklen,
vorab kantonalen Interessenkonflikte im Schweizer Glücksspielwesen beheben.
- In einem
zweiten Schritt gilt es, die verflochtenen und komplexen Institutionen zu bereinigen. Heute gibt es mit
dem Bund und den Kantonen zwei durch die Digitalisierung zunehmend überlappende
Glücksspielsphären. Das führt zu Doppelspurigkeiten und unnötigen Konflikten. Es gilt daher, die
Aufsichtsorgane zusammenzuführen und damit die Rolle des Regulators zu stärken.
- Diese
institutionelle Bereinigung erlaubt schliesslich in einem dritten Schritt, die Glücksspielregulierung neu
aufzusetzen. Es bietet sich ein modularer Ansatz an: mit einer Basislizenz sowie Bewilligungen für
speziell zu regulierende Spielformen. Damit könnte das noch immer geltende "Analog first"-Prinzip
abgelegt und auf eine technologie- und wettbewerbsneutrale Regulierung gesetzt werden.
Eine nachhaltige Reform des Schweizer Glücksspielwesens kann also nicht einfach bei den
Auswirkungen der Digitalisierung ansetzen. Vielmehr gilt es zuerst, die problematischen Staatsrollen
abzulegen und damit bestehende Interessenkonflikte aufzulösen. Nur so kann anschliessend ein
institutioneller Rahmen gestaltet werden, der es dem Regulator erlaubt, mit der technischen
Entwicklung künftig Schritt zu halten.
Pressekontakt:
Jürg Müller
+41 44 445 90 13
juerg.mueller@avenir-suisse.ch
Basil Ammann
+41 44 445 90 05
basil.ammann@avenir-suisse.ch