1,3 Millionen Tiere im Labor - davon 740'000 überzählig
Die Tierversuchsstatistik 2020
belegt die traurige Wahrheit: Nebst den rund 556'000 Tieren, die der Untersuchung wissenschaftlicher
Fragestellungen dienten, wurden fast eine Dreiviertelmillion "überzählige" Tiere "produziert" und
getötet. Lediglich 43% der erzeugten Tiere wurden somit für einen Versuch verwendet - bei den
genetisch veränderten Tieren sind es gar nur 18%. "Nutzlos" sind ausgediente Zuchttiere oder solche,
die das falsche Geschlecht haben, zu alt sind oder nicht über die gewünschten genetischen
Merkmale verfügen. Über die konkreten Gründe schweigt sich das Bundesamt für
Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) auf Nachfrage aus - das hunderttausendfache
Töten wird nicht hinterfragt.
Forschungsstopp im Lockdown
Die Tierversuchszahlen
von 2020 zeigen, dass 16'000 Versuchstiere weniger als im Vorjahr verwendet wurden. Dieser
Rückgang ist gemäss Bericht zur Tierversuchsstatistik durch den im März verhängten Lockdown zu
erklären. Viele Institutionen haben einen Forschungsstopp erlassen und dabei laufende Projekte
abgebrochen. Die betroffenen Tiere wurden euthanasiert - um wie viele es sich handelte und um
welche Projekte, ist unbekannt. Da jeder Tierversuch gemäss Gesetz unerlässlich sein muss, stellt
sich die Frage der Rechtmässigkeit. Ob eine umfassende Güterabwägung von unabhängiger Seite
gemacht wurde, bleibt ebenso unklar.
Wer entscheidet über Leben und Tod?
Auch
die Kommission für Tierversuchsethik moniert in ihrer Stellungnahme, dass dem Tierschutz während
der Pandemie zu wenig Rechnung getragen wurde. Es ist unverständlich, weshalb Tierpflegende
(analog zu medizinischem Personal) nicht als systemrelevant eingestuft werden, um den Schutz der
Versuchstiere bestmöglich zu gewährleisten. Nadja Brodmann vom Zürcher Tierschutz bringt es auf
den Punkt: "Es ist ethisch und rechtlich höchst fragwürdig, wenn ein Versuch ohne vollständigen
Erkenntnisgewinn abgebrochen und die Tiere einfach euthanasiert werden."
Weniger
überzählige Tiere dank Untersuchungskommission
Dem Zürcher Tierschutz ist der sorglose
Umgang mit Lebewesen ein Dorn im Auge. Brodmann kritisiert diesen "Kollateralschaden" als
inakzeptabel und fordert: "Bei der ethischen Beurteilung eines Tierversuches, der sogenannten
Güterabwägung, müssten alle Tiere einbezogen werden - auch die überzähligen." Brodmann schlägt
eine unabhängige Untersuchungskommission unter der Leitung des 3R-Kompetenzzentrums oder
des zuständigen Bundesamtes BLV vor, um die Problematik der überzähligen Tiere aufzuarbeiten und
innovative Lösungsvorschläge bereitzustellen.
Mehr Transparenz gefordert
Um den
unnötigen Verschleiss von Tieren zu stoppen, fordert der Zürcher Tierschutz von den
Forschungsinstituten mehr Einblick in den Tierversuchsalltag und eine offenere Kommunikation.
Brodmann bemängelt: "Es kann nicht sein, dass Forschende hinter verschlossenen Türen Entscheide
über Leben und Tod fällen, ohne darüber zu informieren - zumal diese Forschung über Steuergelder
mitfinanziert wird!"
Pressekontakt:
Nadja Brodmann, Zoologin
Geschäftsleitung Zürcher Tierschutz
044 261 43 36 /
079 334 91 70
nbrodmann@zuerchertierschutz.ch