Die Grundversorgung bildet einen der wichtigsten Pfeiler in der medizinischen Versorgung. Für eine
umsichtige Planung des ärztlichen Nachwuchses im Kanton Bern sind zuverlässige Daten unabdingbar:
Wie viele Grundversorgerinnen und Grundversorger gibt es überhaupt? Zu welchen Pensen arbeiten sie
und wo? In welchen Gebieten gibt es bereits heute eine Unterversorgung? Wo ist diese in den nächsten 5
Jahren absehbar? Mit der Workforce-Studie 2020-2025 des Berner-Instituts für Hausarztmedizin BIHAM
liegen nun erstmals wissenschaftlich fundierte Daten zur medizinischen Grundversorgung vor.
Ärztemangel wird sich verschärfen
Die Studie zeigt, dass der Mangel an Grundversorgerinnen und
Grundversorgern existiert und rasch zunehmen wird. Bereits heute nimmt nur noch eine Minderheit der
Ärztinnen und Ärzte in der Grundversorgung neue Patienten auf. In den kommenden fünf Jahren dürfte
eine grössere Zahl der Grundversorger ihr Pensum reduzieren oder sich pensionieren lassen. Damit
nimmt die Workforce bis 2025 um 25 Prozent ab. Ob dieser Wegfall durch den aktuellen Nachwuchs
kompensiert werden kann, ist fraglich: "Um nur schon die momentane Ärztedichte in der
Grundversorgung aufrechtzuerhalten, würde der Kanton Bern bis 2025 mindestens 270 neue Ärztinnen
und Ärzte benötigen", so die Studienleiter Dr. med. Zsofia Rozsnyai und Prof. Dr. med. Dr. phil. Sven
Streit. Dieser Nachwuchs müsste vor allem aus dem Inland generiert werden und ein Pensum von
mindestens 7,5 Halbtagen pro Woche leisten. Das bedingt, dass mindestens 40% der Absolventinnen und
Absolventen des Medizinstudiums als Grundversorger arbeiten.
Welche Handlungsmöglichkeiten
gibt es?
Es gibt Rezepte gegen den Mangel: Ein wirksamer und wichtiger Hebel liegt in den
politischen Rahmenbedingungen. Gerade der Kanton Bern hat hier bereits unentbehrliche Arbeit geleistet.
Mit dem Programm Praxisassistenz des Kantons Bern, finanziert von Kanton und Ärzteschaft, können
Studierende früh für die Hausarztmedizin begeistert werden. "Das ist ein guter Ansatz. Es ist wichtig,
dass das Programm Praxisassistenz weitergeführt werden kann", so Rainer Felber, Co-Autor der
Studie und Vizepräsident der Aerztegesellschaft des Kantons Bern.
Aber auch die Ärzteschaft
selber ist in der Pflicht: Sie kann Modelle für eine sinnvolle Arbeitsteilung entwickeln und den ärztlichen
Nachwuchs mit gezielten Massnahmen für die Grundversorgung motivieren.
Weitere
Handlungsmöglichkeiten sehen die Studienleiter in der administrativen Entlastung der Ärztinnen und Ärzte
und in der Verbesserung der finanziellen Rahmenbedingungen. Es braucht ein klares Bekenntnis von
Bund und Kantonen für die Bedeutung der Grundversorgung in der Schweiz.
Kasten:
Die Berner Workforce-Studie 2020-2025 entstand unter der Leitung von Dr. med. Zsofia Rozsnyai und
Prof. Dr. med. Dr. phil. Sven Streit des Berner Instituts für Hausarztmedizin BIHAM. Sie wurde finanziell
getragen von der Berner Stiftung zur Förderung der Hausarzt-Medizin HaSt, der Aerztegesellschaft des
Kantons Bern BEKAG, dem Verein Berner Haus- und KinderärztInnen VBHK, der Verbindung der
Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH, dem Universitären Notfallzentrum am Inselspital und unterstützt vom
Schweizerischen Gesundheitsobservatorium Obsan. Die Workforce-Studie 2020-2025 bedeutet für den
Kanton Bern einen Meilenstein, weil erstmals alle Grundversorgerinnen und Grundversorger mit hoher
Sicherheit identifiziert werden konnten. Der Rücklauf betrug 95%. Im Jahr 2020 arbeiteten im Kanton Bern
972 Ärztinnen und Ärzte in der Grundversorgung, im Schnitt an 7,5 Halbtagen pro Woche; die Workforce
war im Jahr 2020 zu 43% weiblich. 129 (13%) Ärztinnen und Ärzte waren über 65 Jahre alt und 189 (19%)
stammten aus dem Ausland.
Pressekontakt:
Marco Tackenberg, Presse- und Informationsdienst Aerztegesellschaft des Kantons Bern,
(Tel. 031 310 20 99, E-Mail marco.tackenberg@bekag.ch)
Prof. Dr. med. Dr. phil. Sven Streit, Leiter
Interprofessionelle Grundversorgung, Berner Institut für Hausarztmedizin BIHAM, (Tel. 031 684 58 75, E-
Mail sven.streit@biham.unibe.ch)
Dr. med. Rainer Felber, Co-Autor, Vizepräsident
der Aerztegesellschaft des Kantons Bern,
(Tel. 031 839 04 44, E-Mail rainer.felber@hin.ch)