Man habe damals «unter sehr grossem Zeitdruck» gestanden, räumte Josef Hess, Baudirektor des
Kantons Obwalden, damals in den Medien ein. Bei der Revision der kantonalen Richtplanung, die an das
neue Raumplanungsgesetz des Bundes von 2014 anschloss, wollte sich der Kanton deshalb nicht auf die
herkömmlichen Mittel der Entscheidfindung verlassen. Er beschloss, das Vernehmlassungsverfahren über
eine elektronische Dialogplattform durchzuführen. Mitte 2018 war es eines der ersten grossen E-
Mitwirkungsprojekte der Schweiz.
Abgewickelt wurde das Vernehmlassungsverfahren über die
Plattform der Konova AG in Zug. Das damalige Start-up, das heute zehn Mitarbeitende zählt, hatte eine
Softwarelösung entwickelt, die es erlaubte, Stellungnahmen und Rückmeldungen direkt mit den jeweiligen
Gesetzesparagrafen und einer interaktiven Karte zu verknüpfen. «Die Software nimmt den Behörden
monotone, fehleranfällige administrative Arbeit ab und ermöglicht ihnen die Konzentration aufs
Wesentliche», unterstreicht Roger Sonderegger, Leiter des Amtes für Raumentwicklung und Verkehr des
Kantons Obwalden. Insgesamt gingen zur kantonalen Richtplanung rund 1500 Rückmeldungen ein.
80 Prozent kommen über E-Mitwirkung
1500 Rückmeldungen in
einem Kanton mit 37000 Einwohnern ist eine stolze Zahl. Dabei ist das Ziel mit einer Rate von 80 Prozent
digitalen Erfassungen stark übertroffen worden. Doch nicht nur quantitativ, auch qualitativ habe die E-
Mitwirkung überzeugt, so Sonderegger. Künftig werde diese Form der Partizipation noch viel wichtiger.
Gerade in einem komplexen Prozess wie einer Richtplanung hätten es die Vernehmlassungsteilnehmer
geschätzt, Teams für das Verfassen von gemeinsamen Stellungnahmen zu bilden und jederzeit
Zwischenresultate abrufen zu können. 2019 wurde der Richtplan vom Kantonsparlament ohne
Gegenstimme genehmigt.
Technologie und Kommunikation
«Erfinder» der Plattform (www.e-mitwirkung.ch) sind Miro Hegnauer und Roland Brun. Hegnauer ist
Wirtschaftsinformatiker, Brun verfügt als politischer Kommunikationsberater und Organisationsentwickler
über ein grosses Netzwerk in Politik und Verwaltung. Die beiden haben die Konova AG gegründet, um die
digitalen Möglichkeiten mit der politischen Machbarkeit zu verbinden.
Bis heute haben bereits
Dutzende von Gemeinden, Kantonen und Dienststellen des Bundes auf die E-Mitwirkung zurückgegriffen.
Hegnauer weiss, was von den öffentlichen Institutionen erwartet und geschätzt wird. «Es ist eine
klassische Wechselwirkung: Wenn es gelingt, Anspruchsgruppen frühzeitig in einen
Meinungsbildungsprozess einzubinden, dann steigt nicht nur die Akzeptanz in der Bevölkerung, sondern
auch die Planungssicherheit für die Behörden», sagt der CEO der Konova AG.
Dies bedinge einen
Dialog. «Je mehr jemand weiss, umso mehr kann er sich einbringen», so Hegnauer. Gleichzeitig sei es
möglich, den Teilnehmerkreis zur erweitern. An den herkömmlichen Vernehmlassungen beteiligten sich
üblicherweise Parteien und Verbände. Je grösser der Kreis von Involvierten ist, umso besser ist ein
Vorhaben abgestützt. Ausserdem sei es für die Behörden möglich, das Verfahren zu monitoren, das heisst
die Akzeptanz zu messen, und Massnahmen frühzeitig zu steuern. Das ist in Obwalden geschehen.
Weniger Lücken, mehr Verbindlichkeit
Hinzu kommen die
administrativen Erleichterungen für die Verwaltungen. E-Plattformen erlauben es, komplexe Vorhaben
bereichsübergreifend zu organisieren: Kommunikationslücken entfallen, Verbindlichkeiten steigen, externe
und interne Stakeholder können vernetzt werden. Das steigert nicht nur die Effizienz, sondern auch die
Transparenz.
Je nach der Geschichte und der Organisationsform einer Behörde sind die Prozesse
unterschiedlich. Häufig sind sie aber zersplittert und nicht aufeinander abgestimmt. Das heisst: In der
bisherigen Form sind die manuelle Durchführung und Auswertung von Vernehmlassungen mit einem
hohen administrativen Aufwand verbunden. Eine gemeinsame Plattform hat selbstredend den Vorteil, dass
alle Beteiligten immer auf dem gleichen Wissensstand sind; eine klare Benutzerführung und die
Automatisierung bei der Auswertung ersparen Zeit und Kosten. Und sie führen zu einem besseren
Resultat, weil die Ergebnisse strukturiert und nachvollziehbar sind.
Dies erkennen immer mehr
Behörden. Häufig sind Vorhaben für die Bevölkerung abstrakt. Deshalb wollen sie Steuerzahler und
Stimmberechtigte frühzeitig in die Meinungsbildung einbeziehen. Denn erst wenn ein Vorhaben konkret
wird, verschwindet das diffuse Gefühl des Nichtverstehens, steigt die Akzeptanz. Gleichzeitig kann die
Behörde kommunizieren, warum es nicht möglich ist, jeden Wunsch zu erfüllen. Und wenn sie dies mit
Sachargumenten tut, kann sie auch mit dem Verständnis der Bevölkerung rechnen.
Anliegen vieler Gemeinden und Kantone
Mitwirkung ist ein Anliegen vieler
Gemeinden – gerade in einer Zeit, da Gemeindeversammlungen abgeschafft und Geschäftsführermodelle
eingeführt werden, da immer weniger Leute an Orientierungsversammlungen teilnehmen und sich die
gewählten Volksvertreter aus dem operativen Geschäft (und damit aus dem direkten Kontakt mit der
Bevölkerung) zurückziehen. Mittlerweile reagieren auch die Kantone. St. Gallen beispielsweise kennt eine
gesetzliche Mitwirkungspflicht.
Reagiert hat auch der Kanton Zürich. Er hat die Teilrevision der
kantonalen Richtplanung über die E-Mitwirkungsplattform abgewickelt. «Das ist eine sehr attraktive Form
für die Bevölkerung, für Verbände und Gemeinden, an der Mitwirkung teilzunehmen», sagt Michael
Landolt, Raumplaner im Amt für Raumentwicklung des Kantons Zürich. «Aber auch für uns. Wir konnten
über 1000 Stellungnahmen effizient auswerten und den Bericht dazu erstellen.»
Bevölkerung erwartet Online-Tool
Es führe kein Weg an der digitalen
Mitwirkung vorbei, ist Landolt überzeugt. «Heute wird erwartet, dass man an einem Vorhaben mitwirken
kann, das einen betrifft, und dass man es online – am Computer – machen kann.» Gerade bei grossen
Infrastrukturprozessen sei die Akzeptanz besser, man habe überwiegend positives Feedback auf das
Pilotprojekt erhalten. Mittlerweile werde die E-Mitwirkung auch in anderen Bereichen des
Baudepartementes eingesetzt. «Es ist eine Stärke des modularen Aufbaus, dass man damit ganz
unterschiedliche Mitwirkungen durchführen kann.» Gegenwärtig wird das Tool für die Richtplanung, für die
Revision des kantonalen Planungs- und Baugesetzes, aber auch für die kantonale Spitalplanung
eingesetzt.
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