Die Milchkuh leidet: als Kalb unter der Trennung von der Mutter, als Kuh unter dem Verlust ihrer
Kälber, als Nutztier unter der Hochleistung und dem gesundheitlichen Verschleiss. Die heutige intensive
Milchproduktion funktioniert nur mit viel Kraftfutter und Antibiotika. In "Tyra - die Geschichte einer
Schweizer Milchkuh" zeigt der Zürcher Tierschutz einen Weg auf, wie sich das traurige Schicksal der
Milchkuh ändern lässt: indem sie Mutter sein darf.
Die tierfreundlichste Milch
stammt aus Mutter-Kalb-Haltung
Üblicherweise wird Milchkühen kurz nach der Geburt
das Kalb weggenommen. Doch innovative Bauern lassen Kälber bei ihren Müttern saugen und melken
diese trotzdem - denn die heutigen Kühe geben mehr Milch, als ein Kalb braucht. "Dies ist die
tierfreundlichste Art der Milchproduktion", so Nadja Brodmann vom Zürcher Tierschutz. "Der
Trennungsstress nach der Geburt entfällt, Kuh und Kalb entwickeln eine intensive Beziehung. Das Kalb
profitiert von der Nähe zur Mutter: Es wird geleckt, gesäugt, beschützt und lernt natürliches
Sozialverhalten. So entwickeln die Kälber auch keine Verhaltensstörungen wie gegenseitiges Besaugen."
Keine präventiven Antibiotika
Weniger Stress bedeutet auch
bessere Gesundheit und weniger Medikamente für Kuh und Kalb. Die Kälber bleiben mindestens drei
Monate bei ihren Müttern und profitieren dabei weiterhin vom Schutz durch maternale Antikörper.
Traditionellerweise würden Kälber schon in den ersten Lebenswochen auf einen Aufzucht- oder Mast-
Betrieb verfrachtet. Durch den Stress der Trennung und den Transport erleiden sie einen Einbruch im
Immunsystem und werden zugleich am neuen Ort mit fremden Keimen konfrontiert. Dieses System
funktioniert nur deshalb, weil alle Kälber vorbeugend mit Antibiotika behandelt werden.
Der Haken an der Geschichte
Die Mutter-Kalb-Haltung (MuKa-Haltung) ist top
für die Tiere, aber vom Management her anspruchsvoll. Gemäss Hochrechnungen des Thünen-Instituts
(DE) kann ein MuKa-Betrieb bis zu 1'600 Liter oder rund 20% weniger Milch pro Kuh und Laktation melken
- einerseits weil die Kälber einen Teil der Milch trinken, andererseits weil gewisse Kühe beim Melken einen
Teil zurückbehalten. Bei einer Herde von 20 Kühen ergibt das etwa CHF 20'000 und bei Bio-Milch bis zu
CHF 25'000 weniger Einnahmen pro Jahr. Um diesen Verlust zu verringern, ist noch viel Forschung nötig.
Unter den rund 19'000 Schweizer Milchbetrieben gibt es daher aktuell nur 13 MuKa-Betriebe.
Tiefe Milchpreise verhindern Innovationen
Seit 1990 ist der Milchpreis
um rund 40 Rappen gefallen. Die Bauern erhalten heute nur noch 60 Rappen pro Liter Milch (Grafik s. Link
am Schluss). Krass: Der Preisanteil der Bauern ist dabei seit 1950 von 81% auf 37% gesunken, jener der
Milchverarbeiter von 19% auf 63% gestiegen. Während letztere von den überhöhten Margen profitieren,
können die Produzenten kaum mehr kostendeckend wirtschaften. Brodmann kritisiert die unfairen
Milchpreise auf dem Buckel der Bauern: "Die innovative MuKa-Haltung hat unter diesen Bedingungen
keine Chance. Derzeit kann MuKa-Haltung nur mit Direktvermarktung rentieren, was für abgelegene
Betriebe jedoch schwierig ist."
MuKa-Haltung fördern durch
Direktzahlungen
Das Agrarbudget umfasst rund 1 Milliarde Franken für Marktstützung
sowie rund 2,8 Milliarden für Direktzahlungen an Bauernbetriebe, wovon nur 10% in Tierwohlbeiträge
fliessen. "Dies ist ein krasses Missverhältnis", moniert Brodmann. Eine Befragung zum Agrarbericht 2019
ergab, dass Schweizer Tierprodukte bevorzugt werden - der Umwelt, dem Tierwohl und den Bauern
zuliebe. Will die Schweiz diesen Wettbewerbsvorteil bewahren, braucht es eine Umverteilung innerhalb
des Agrarbudgets und mehr Direktzahlungen zugunsten weiterführender, innovativer
Tierhaltungsprogramme wie der MuKa-Haltung. "Dies ist der Schlüssel, um das Tierwohl in Schweizer
Kuhställen zu verbessern, den Antibiotika-Einsatz bei Kühen und Kälbern zu reduzieren sowie ein Happy
End für die Milchkühe, ihre Kälber und auch die Bauern zu erwirken", so Brodmann.
Weitere
Informationen, Milchpreis-Grafik, Fotos & Film einer MuKaHaltung:
https://ots.ch/1Muuno
Pressekontakt:
Nadja Brodmann, Zürcher
Tierschutz (Mitglied der Geschäftsleitung)
+41 79 334 91 70 (Handy) / +41 44 261 43 36
nbrodmann@zuerchertierschutz.ch