Mit welchen ökonomischen und politischen Massnahmen kann das Ziel des Übereinkommens von
Paris erreicht werden? Ideen gibt es viele - vom Veggie-Burger bis zum Verbot von Flugreisen. Doch
leisten alle Regulierungen und Fördermassnahmen, Subventionen und Verbote einen wirkungsvollen
Beitrag für den Klimaschutz? Die Avenir-Suisse-Studienautoren Patrick Dümmler und Lukas Rühli zeigen
auf, wie eine wirkungsvolle Klimapolitik aussehen sollte: zurückhaltende Regulierung im Verbund mit einer
konsequenten Bepreisung des Treibhausgasausstosses.
Wo ansetzen?
Wo, wie und von wem Treibhausgas-Emissionen verursacht - oder vermieden - werden,
ist angesichts der Folgen für Verteilung, Verantwortung und Vorbildfunktion Gegenstand öffentlicher
Diskussionen. Für die Klimawirkung zählt dagegen einzig, ob die Emissionen
verursacht werden. Eine wirkungsvolle Politik senkt die Emissionen dort, wo mit gegebenem Einsatz die
stärkste Reduktion erzielt werden kann. Deshalb ist neben nationalen Massnahmen ein globaler Ansatz
unerlässlich. Zudem werden nationale Alleingänge Opfer des "grünen Paradoxons": Bei einem
unveränderten Angebot an fossilen Energieträgern senkt die verminderte Nachfrage deren Preis, wodurch
das an einem Ort "eingesparte" CO2 andernorts umso mehr ausgestossen wird. Aus demselben Grund
droht auch die Wirkung der vielfach propagierten Umstellung unserer Konsummuster zu verpuffen.
Mittel- bis langfristig führt zur Lösung des CO2-Problems kein Weg an technologischen Innovationen
vorbei. Für eine Beschränkung des Temperaturanstiegs auf 1,5°C werden in der zweiten Hälfte dieses
Jahrhunderts mit höchster Wahrscheinlichkeit negative Emissionen nötig sein. Mechanismen zur
Rückholung von CO2 aus der Atmosphäre stehen kurz vor der Marktreife.
Eine
wirkungsvolle Klimapolitik muss vier Kriterien erfüllen:
1. Die Massnahmen sollten eine
tatsächliche Reduktion der Treibhausgas-Emissionen in relevantem Ausmass bewirken. 2. Sie sollten
effizient sein, d.h. mit gegebenem Mitteleinsatz das Bestmögliche erreichen.
3. Sie sollten
Kostenwahrheit herstellen, d.h. die Emittenten sollten die gesellschaftlichen (künftigen) Kosten des
Treibhausgas-Ausstosses tragen.
4. Sie sollten Technologieneutralität wahren.
Klimaschutz in der Schweiz
Einige Elemente des geltenden schweizerischen
CO2-Gesetzes erfüllen diese Kriterien ziemlich gut - so die CO2-Abgabe auf Brennstoffen, das
Emissionshandelssystem oder die Kompensationspflicht für Treibstoffe. Dirigistische Massnahmen wie das
Gebäudeprogramm und Emissionsvorschriften für Neuwagen schneiden deutlich schlechter ab.
Ein Schlüsselelement für die künftige Klimastrategie der Schweiz ist die Totalrevision des CO2-Gesetzes,
das bis 2030 eine Einsparung der Treibhausgas-Emissionen um mindestens 50% gegenüber 1990
vorsieht und die Weichen für das Netto-null-Ziel 2050 stellt. Unabhängig vom Abstimmungsergebnis vom
13. Juni müsste die hiesige Klimapolitik zwecks Steigerung der Wirksamkeit baldmöglichst weiterentwickelt
und mit Instrumenten ausgestattet werden, die den genannten Kriterien besser standhalten.
Nationale Massnahmen und internationale Koordination
Für die
Schweizer Klimapolitik ergeben sich mehrere Handlungsfelder:
- Kooperation auf globaler Ebene.
Avenir Suisse bewertet in der Studie internationale Strategien und zeigt auf, welche Potenziale
bestehen, um das Trittbrettfahren von Staaten im Klimaschutz zu unterbinden. Dazu gehört beispielsweise
die Errichtung eines Klima-Clubs.
- Enge Abstimmung mit der EU, die im Rahmen ihres
Grünen Deals Richtung Klima-Club steuert. Es ist eine Zusammenarbeit anzustreben, um wirtschaftliche
Chancen wahrzunehmen und eine handelspolitische Diskriminierung zu vermeiden.
- Bilaterale
Kompensationsabkommen. Emissionsreduktionen können im Ausland vorgenommen und dem
eigenen Klimaziel angerechnet werden, sofern die Minderung real, verifizierbar und dauerhaft ist.
-
Die inländische Klimapolitik ist an den vier Kriterien Effektivität, Effizienz,
Kostenwahrheit und Technologieneutralität auszurichten.
- Obwohl die Schweiz selbst -
entgegen oft gehörter Voten - nicht überdurchschnittlich stark vom Klimawandel betroffen ist, muss sie sich
an ihn anpassen, sich also gegen Risiken schützen und Chancen wahrnehmen.
Beides ist möglich, ohne in staatlichen Aktivismus zu verfallen.
Der inländische Beitrag der
Schweiz zur Reduktion der weltweiten Emissionen mag gering sein. Und doch sollte sie angesichts ihres
hohen Wohlstands und der in der Vergangenheit überdurchschnittlichen Pro-Kopf-Emissionen mit gutem
Beispiel im Kampf gegen den Klimawandel vorangehen. Eine weit über unser Land hinausgehende
Wirkung wird erzielt, wenn es als Vorbild dienen kann. Dazu muss aber unsere Klimapolitik wirkungsvoll
und bezahlbar sein.
Digitale Medienkonferenz mit Live-Stream:
Donnerstag, 20. Mai 2021, 10.00 Uhr, www.avenir-suisse.ch, mit Peter Grünenfelder,
Patrick Dümmler, Lukas Rühli, Teresa Hug Alonso und Verena Parzer-Epp.
Link zur Publikation von Avenir Suisse
Link zum PDF der Studie
Pressekontakt:
Patrick Dümmler (patrick.duemmler@avenir-
suisse.ch, +41 76 532 53 16)
Lukas Rühli (lukas.ruehli@avenir-suisse.ch, +41 76 211 23 50)