Der technologische Fortschritt hat den Schweizer Arbeitsmarkt während der letzten Jahrzehnte stark
verändert. Am besten zeigt sich das an den veränderten Qualifikationsanforderungen, denn die Nachfrage
nach hochqualifizierten Erwerbstätigen ist stark
gestiegen: Übten noch 1996 rund 650'000 Erwerbstätige einen akademischen Beruf aus, waren es 2019
bereits 1,25 Mio.; ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung stieg in dieser Periode von 17,4% auf 26,5%. Im
gleichen Zeitraum verzeichneten alle Berufskategorien mit
mittleren Qualifikationen einen Rückgang - allen voran das Handwerk. Generell haben sich die beruflichen
Perspektiven von Erwerbstätigen mit einer Berufslehre ohne Vertiefung auf Tertiärstufe in den letzten 25
Jahren verschlechtert.
Es gibt aber auch gute
Nachrichten vom Arbeitsmarkt: Zum Beispiel ist der Karriereverlauf bei den jüngeren Generationen heute
steiler als früher, denn viele von ihnen - insbesondere Frauen - verfügen bereits bei Markteintritt über hohe
Qualifikationen. Der berufliche Werdegang ab 35 Jahren
ist zwar ein mitbestimmender, aber sekundärer Faktor.
Rege
Weiterbildungsaktivitäten
Allgemein kann das Interesse der Schweizerinnen und
Schweizer an Weiterbildungsaktivitäten als sehr hoch bezeichnet werden, auch im
internationalen Vergleich. Doch hängen das Weiterbildungsverhalten und das informelle Lernen stark vom
Bildungsstand ab. Höher Qualifizierte sind aktiver, weshalb Weiterbildung per se die Bildungsunterschiede
zwischen den Gruppen nicht verkleinert, sondern sogar
verschärft.
Eine besonders wichtige Rolle spielen die Unternehmen bei der Weiterbildung: Die
grosse Mehrheit unterstützt die Weiterbildung ihrer Belegschaft mit zeitlichen und finanziellen Ressourcen.
Nicht mitgerechnet ist dabei das informelle Lernen im
Arbeitsalltag. Dass letzteres nicht an Wirkung verloren hat, zeigt sich daran, dass die Lohnzuschläge für
zusätzliche Arbeitserfahrung (ein Mass für die Bedeutung des informellen Lernens am Arbeitsplatz)
während der letzten 25 Jahre konstant blieben.
Fokus auf Arbeitsmarktgefährdung
Die öffentlichen Bildungsinvestitionen
fokussieren auf das erste Lebensdrittel. Weil der Ertrag von Weiterbildung und informellem Lernen vor
allem Arbeitnehmern und -gebern zugutekommt, wäre auch eine
generelle Ausdehnung der öffentlichen Investitionen in die Bereiche Weiterbildung oder informelles Lernen
nicht angebracht. Eine gezielte staatliche Bildungsunterstützung während des Erwerbslebens ist damit nur
bei jenen Gruppen gerechtfertigt, die selten oder gar
nicht am lebenslangen Lernen teilnehmen und dadurch auf längere Frist vermutlich an
Arbeitsmarktfähigkeit einbüssen. Da es sich häufig um Personen ohne nachobligatorischen Abschluss
handelt, kann hier ein Anspruch auf staatliche Förderung am
Qualifikationsniveau unter Einbezug des Einkommens geltend gemacht werden.
Besonders
geeignete Instrumente sind Weiterbildungsgutscheine oder -konten, sowie Darlehen für längere
Umschulungen. Steuerabzüge sind zur Förderung von Weiterbildung
wenig sinnvoll, weil von ihnen vor allem Personen mit hohen Löhnen profitieren, bei dieser Gruppe aber
kein Hinweis auf mangelnde Weiterbildungsanstrengungen erkennbar ist. Im Hinblick auf ältere
Arbeitnehmende braucht es laut der Studie keine zusätzlichen
Förderinstrumente. Jedoch sollte ihr Zugang zur staatlichen Förderung nicht durch tiefe Altersgrenzen
beschränkt werden.
Digitale Medienkonferenz mit Live-Stream: 29.
April 2021, 10.00 Uhr, www.avenir-suisse.ch, mit Peter
Grünenfelder, Valérie Müller und Marco Salvi.
Link zur Website von
Avenir Suisse: https://www.avenir-suisse.ch/publication/weiterbilden-aber-gezielt/
Link zum PDF
der Studie: https://cdn.avenir-suisse.ch/production/uploads/2021/04/weiterbilden-aber-gezielt_avenir-debatte.pdf
Pressekontakt:
Valérie Müller, valerie.mueller@avenir-suisse.ch (+41 44 445 90 78)
Marco Salvi, marco.salvi@avenir-suisse.ch (+41 44 445 90 17)