Am 31. Oktober 2020 hatte eine französischsprachige Schweizer Tageszeitung über mutmassliche
Belästigungsfälle bei RTS berichtet. Der Verwaltungsrat SRG handelte umgehend und gab am 4.
November 2020 (siehe Medienmitteilung) unabhängige externe
Untersuchungen in Auftrag - dies in Absprache mit dem SRG-Generaldirektor, dem Direktor von RTS und
in Zusammenarbeit mit dem Sozialpartner, dem Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM).
Diese Untersuchungen sollten die bestehenden, konzernweit vorhandenen Instrumente zur Meldung und
Vermeidung von Fehlverhalten und zum Schutz der Integrität der Mitarbeitenden auf ihre Wirksamkeit
überprüfen und Verbesserungsvorschläge aufzeigen (Untersuchung 1), die
Verantwortlichkeiten von involvierten Führungspersonen und Fachbereichen über alle Führungsebenen
hinweg lückenlos aufklären (Untersuchung 2) und die im Oktober 2020
aufgebrachten drei Fälle untersuchen (Untersuchung 3).
Unabhängige externe Untersuchungsorgane
Die Interne Revision der SRG,
die den Verwaltungsrat in der Aufsicht des Unternehmens unterstützt, wurde mit der Untersuchung 1
beauftragt. Die Abklärungen erfolgten unter der Leitung von Dr. Ursula Gut-Winterberger, Verwaltungsrätin
SRG, und unter Mitwirkung von Dr. Claudia Kaufmann, frühere Ombudsfrau der Stadt Zürich.
Die
Untersuchung 2 wurde durchgeführt von Muriel Epard, ehemalige Präsidentin des Kantonsgerichts Waadt,
und Stanislas Zuin, ehemaliger Präsident des Genfer Rechnungshofs.
Und die Untersuchung 3
erfolgte durch die auf Arbeitsrecht spezialisierte Genfer Anwältinnenkanzlei "Troillet Meier Raetzo". Das
Mandat dafür wurde im Auftrag der Generaldirektion SRG von der Direktion RTS in Abstimmung mit dem
SSM erteilt und vom Personalausschuss des Verwaltungsrats SRG genehmigt.
Verbesserung der Instrumente und personelle Massnahmen
Der
Untersuchungsbericht 1 unterstreicht die Nulltoleranz gegenüber jeglicher Form von Belästigungen oder
Verletzungen der Integrität und Würde von Mitarbeitenden der SRG. Die heute im Unternehmen bereits
vorhandenen Instrumente zum Schutz der Mitarbeitenden (Meldung an Vorgesetzte, an Human
Resources, die externe Whistleblowing-Meldestelle, Zugang zum Sozialberatungsunternehmen Movis)
haben Mängel aufgezeigt. Diese müssen korrigiert und durch zusätzliche Massnahmen und
Kontrollmechanismen ergänzt werden.
Der Verwaltungsrat hat deshalb die folgenden
Stossrichtungen und Massnahmen beschlossen:
- In allen Unternehmenseinheiten wird eine
klare Haltung zu einer Nulltoleranz-Politik etabliert.
- In den Unternehmenseinheiten soll die Position
von internen "Vertrauenspersonen" eingeführt werden, die den Mitarbeitenden zur Verfügung stehen.
Ausserdem wird die Position einer externen Ombudsperson geschaffen.
- Oberste Verantwortung für
das Thema haben die Führungsverantwortlichen. Diese Verantwortung kann nicht delegiert werden. Alle
Mitarbeitenden in Führungspositionen müssen deshalb ein obligatorisches Schulungsprogramm
absolvieren, das gezielt auf das Thema Belästigungen und den Umgang damit sensibilisiert.
Für
den Fall der Nichteinhaltung der neuen Bestimmungen sollen spezifische Sanktionen erlassen werden.
Der Verwaltungsrat hat die Interne Revision und die Geschäftsleitung SRG mit der Umsetzung
dieser beschlossenen Massnahmen beauftragt. Der Umsetzungsprozess soll partizipativ gestaltet werden.
Der Verwaltungsrat misst den Verbesserungen hohe Priorität zu und wird die Einführung und die
Wirkungskontrolle der neuen Instrumente eng begleiten, damit die SRG auch in Zukunft eine moderne und
attraktive Arbeitgeberin bleibt. Letztlich sollen diese Verbesserungen auch dazu beitragen, die
Anforderungen der Unternehmenskultur den Vorgaben des Verwaltungsrats anzupassen und diese zu
stärken.
Analyse der Verantwortlichkeiten
Im
Untersuchungsbericht 2 zur Überprüfung der Verantwortlichkeit von involvierten Führungspersonen und
Fachbereichen über alle Führungsebenen hinweg stellten die externen Expert*innen fest, dass von den
drei untersuchten Fällen das Management in zwei Fällen angemessen gehandelt hat.
Im dritten
Fall wurden Managementdefizite in den Fachabteilungen von RTS festgestellt. Diese Defizite werden von
der RTS-Geschäftsleitung bearbeitet, die zeitnah dazu kommunizieren wird. RTS hat ausserdem eine
externe Prüfung des Personalmanagements und der Personaldienstleistungen in Auftrag gegeben. Die
Ergebnisse dieser Abklärungen werden in Kürze erwartet.
Der zum Zeitpunkt der Ereignisse
verantwortliche RTS-Direktor, Gilles Marchand, hatte eine sekundäre Aufsichtsverantwortung, die im
dritten Fall nach Beurteilung der externen Expert*innen zu wenig wahrgenommen wurde. Dies stellt in der
Einschätzung der Gutachter*innen jedoch keinen gravierenden Fehler dar. Der Verwaltungsrat ist der
Ansicht, dass Gilles Marchand die richtige Person für die SRG ist, um gemeinsam mit der Geschäftsleitung
die geforderten Veränderungen in der Unternehmenskultur erfolgreich umzusetzen. Bezüglich des
aktuellen Direktors von RTS, Pascal Crittin, sind die externen Expert*innen zum Schluss gekommen, dass
ihm kein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann. Deshalb gibt es für den Verwaltungsrat ebenfalls keinen
Handlungsbedarf.
Der Chefredaktor der TV-Nachrichten von RTS hat sich in Abstimmung mit
dem Direktor entschieden, das Unternehmen zu verlassen, um einen Neustart zu ermöglichen. Der Leiter
der Personalabteilung von RTS wird seine Funktion abgeben. RTS kommuniziert dazu mit einer eigenen
Medienmitteilung und einer Personalinformation heute Freitagnachmittag.
Im
Untersuchungsbericht 2 werden weitere Empfehlungen gemacht, die in den nächsten Wochen in Bezug
auf die Umsetzung geprüft werden.
Detaillierte Überprüfung von
Rückmeldungen bei RTS
Die drei Fälle, über die in den Medien ausführlich berichtet
wurde, betreffen unterschiedliche Situationen. Im ersten Fall, der einen Mitarbeiter betrifft, der RTS
mittlerweile verlassen hat, stellten die unabhängigen Sachverständigen keine sexuelle Belästigung oder
Mobbing fest.
In den beiden anderen untersuchten Fällen stellten die Expert*innen hingegen
Handlungen fest, die als Belästigung im Sinne von Artikel 328 des Schweizerischen Obligationenrechts
(Haftung des Arbeitgebers) qualifiziert wurden. In diesen beiden Fällen hat RTS Massnahmen ergriffen.
Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes, den die SRG respektiert, können keine weiteren Angaben zu
den einzelnen Fällen gemacht werden.
Parallel zur Untersuchung 3 war bis Mitte Januar 2021
eine externe Hotline zur Meldung von Unkorrektheiten im Arbeitsalltag bei RTS eingerichtet worden.
Insgesamt gingen für den Zeitraum der letzten 20 Jahre rund 220 Rückmeldungen ein. Alle Meldungen
werden einzeln und detailliert geprüft, und problematische Fälle werden vom Unternehmen sofort
bearbeitet.
Aufarbeitung der Rückmeldungen bei RSI
Auch
bei RSI wurde als Folge der Abklärungen bei RTS vom Sozialpartner SSM eine externe Hotline
eingerichtet. In der Folge mandatierten RSI und SSM gemeinsam eine externe Untersuchung. Die
eingegangenen 38 Rückmeldungen wurden in einer ersten Phase triagiert. Die Vorwürfe von Belästigung
beziehungsweise Verletzung der persönlichen Integrität wurden an zwei Anwältinnen und zwei Anwälte
übergeben, welche die Fälle im Auftrag von RSI untersuchen. Der Schlussbericht wird per Ende Juni 2021
erwartet.
Weiteres Vorgehen
SRG-Verwaltungsratspräsident
Jean-Michel Cina: "Der Verwaltungsrat SRG hatte nach den Meldungen im Herbst 2020 sehr rasch und
entschlossen reagiert und hatte unter Einbezug des Sozialpartners umfangreiche, externe
Untersuchungen in Auftrag gegeben. Auf der Basis der nun vorliegenden Ergebnisse und Empfehlungen
wurden erste Massnahmen beschlossen und weitere bei der Geschäftsleitung SRG in Auftrag gegeben.
Damit hat die SRG das Thema gründlich und sorgfältig aufgearbeitet. Die SRG duldet keinen
Machtmissbrauch, keine sexuellen und sexistischen Belästigungen oder Mobbing am Arbeitsplatz. Wir
werden die Persönlichkeit und die Integrität unserer Mitarbeitenden künftig noch besser zu schützen
wissen - und ich bitte all jene um Entschuldigung, bei denen uns dies in der Vergangenheit noch nicht
ausreichend gelungen ist."
Verwaltungsrätin Ursula Gut-Winterberger: "Es ist ein
Paradigmenwechsel im Unternehmen erforderlich, der bedingt, dass sich alle Führungsverantwortlichen
für das Thema zuständig und verantwortlich fühlen und die gewünschte Kultur des respektvollen Umgangs
und angstfreien Arbeitsklimas vorleben. Der Verwaltungsrat verlangt, dass sich eine klare, sichtbare
Haltung hin zu einer Nulltoleranz etabliert."
SRG-Generaldirektor Gilles Marchand: "Diese
schwierige Situation, in der wir uns befinden, zeigt, dass die bisherigen Massnahmen zur Aufdeckung von
Missständen und zum Schutz der Mitarbeitenden nicht ausreichend waren. Ich bedauere dies persönlich
und bin entschlossen, gemeinsam mit der gesamten Geschäftsleitung schnellstmöglich alle
entsprechenden Massnahmen umzusetzen."
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Edi
Estermann und Lauranne Peman
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