Comparis-Studie: Validierungsgebühren für den Vorsorgeauftrag
Riesige Tarifunterschiede für Kesb-Gebühren
Vorsorgeaufträge müssen durch die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) beglaubigt
werden. Dabei gibt es riesige Tarifunterschiede: In Solothurn ist die Prüfung der Vorsorgeaufträge gratis. In
Liestal werden bis zu 1’200 Franken erhoben: Das zeigt der Comparis-Gebührenvergleich. «Schuld an
diesem Wildwuchs sind die Kantone. Sie haben sich dagegen gewehrt, Kesb-Verfahren in einem
Bundesgesetz zu regeln», kritisiert Leo Hug, Gebührenexperte bei Comparis.
Gebühren zwischen 50 und 1’200 Franken für dieselbe Amtshandlung
Ein Vorsorgeauftrag hält unter anderem fest, durch wen sich jemand bei Verlust der Urteilsfähigkeit
vertreten lassen will. Die Kesb prüft bei Urteilsunfähigkeit, ob die damit beauftragte Person dafür fachlich
und charakterlich taugt. Nach erfolgter Prüfung erfolgt die Ermächtigung, anstelle der urteilsunfähigen
Person zu handeln. Für diese Amtshandlung erhebt die Kesb in der Regel sogenannte
Validierungsgebühren.
Comparis hat die Validierungsgebühren in den Kantonshauptorten
verglichen. Die Tarifunterschiede sind enorm. Verschiedene Kantonshauptorte haben über die tatsächlich
erhobenen Tarife Auskunft gegeben: In Solothurn ist die Validierung gratis, sofern keine
ausserordentlichen Aufwände nötig wurden. In Liestal werden bis zu 1’200 Franken in Rechnung gestellt.
«Schuld an diesem Wildwuchs sind die Kantone. Sie haben sich dagegen gewehrt, Kesb-Verfahren in
einem Bundesgesetz zu regeln», sagt Comparis-Gebührenexperte Leo Hug.
7
Kantonshauptorte geben nur rechtlich zulässige Bandbreite an
7 Kesb-Stellen
beantworteten die Frage nach den Kosten für eine Validierung mit dem Hinweis auf den rechtlichen
Rahmen. Dieser spiegelt allerdings nicht unbedingt die tatsächlich erhobenen Tarife. Wer etwa in Herisau
einen Vorsorgeauftrag aufsetzt, muss sich mit der vagen Auskunft zufriedengeben, dass die Validierung
zwischen 300 und 5’000 Franken kosten kann. «Eine offenere Kommunikation der tatsächlich
angewandten Spannbreiten der Validierungstarife würde dem Vertrauen zwischen den Bürgerinnen und
Bürgern und ihrer Kesb bestimmt nicht schaden», meint Hug.
Weitere
Gebühren im Zusammenhang mit dem Vorsorgeauftrag
Validierungsgebühren sind nur ein
Teil der verschiedenen Kosten im Zusammenhang mit einem Vorsorgeauftrag. Für 75 Franken kann auf
jedem Zivilstandsamt der Hinterlegungsort des Vorsorgeauftrags eingetragen werden. So kann
sichergestellt werden, dass die Behörden von der Existenz des Auftrages erfahren, wenn der
Antragstellende selbst nicht mehr darauf zugreifen kann. Die Eintragung des Hinterlegungsortes im
Personenstandsregister erleichtert einzig die Auffindung des Vorsorgeauftrages durch die
Erwachsenenschutzbehörde, wenn diese eine Massnahme – zum Beispiel bei Eintritt dauernder
Urteilsunfähigkeit – anordnen möchte.
Besser auffindbar ist der Vorsorgeauftrag durch
Hinterlegung bei einer damit beauftragten offiziellen Stelle. Verschiedene lokale Kesb oder staatliche
Hinterlegungsorte bieten diese Dienstleistung gegen eine Gebühr an. Auch hier gibt es grosse
Preisunterschiede: In Herisau kostet eine Hinterlegung 30 Franken, in Aarau 100 Franken, in Zürich 150
Franken und in Liestal 250 Franken. Wo keine staatliche Hinterlegungsstelle zur Verfügung steht, muss
dies bei einem Notar oder einer Notarin gemacht werden. Das löst wiederum sehr unterschiedliche
Notariatskosten aus.
Warum ein Vorsorgeauftrag?
Einen
Vorsorgeauftrag braucht es, wenn jemand durch einen Unfall oder eine Krankheit die Urteilsfähigkeit
verliert. Nicht urteilsfähige Menschen können kein Bargeld mehr beziehen. Sie dürfen ihr
Wertschriftenvermögen oder auch ihre Immobilie nicht mehr selbst verwalten. Jemand anderes muss an
ihrer Stelle handeln.
Vorsorgeauftrag auch in der Ehe und im
Konkubinat
Viele Ehepaare glauben, dass sie keinen Vorsorgeauftrag benötigen, weil
Ehegatten und eingetragene Partner im gleichen Haushalt automatisch ein Vertretungsrecht erhalten. Das
ist ein Irrtum: Das Vertretungsrecht der Ehepartner umfasst nur Handlungen, die für den Unterhaltsbedarf
nötig sind. Also Einkaufen oder die Stromrechnung oder Krankenkassenprämie bezahlen. Was über den
einfachen Alltag hinausgeht, wie komplexe Finanzgeschäfte oder der Verkauf des Eigenheims liegt nicht
automatisch in der Kompetenz von Ehepartner oder eingetragenem Partner. Für solche Geschäfte braucht
es einen Vorsorgeauftrag.
Für Konkubinatspartner ist kein automatisches Vertretungsrecht
vorgesehen. Wer dem Konkubinatspartner die Vorsorgevollmachten übergeben will, braucht einen
Vorsorgeauftrag.
Methodik
Comparis.ch hat
im Herbst 2020 die jeweils für den Kantonshauptort zuständige Kesb nach den Tarifen für eine Validierung
eines Vorsorgeauftrags befragt. Die meisten Stellen gaben einen festen Tarif oder zumindest eine
Bandbreite der bei ihnen erhobenen Tarife an. Meist mit der Bemerkung, dass die Kosten bei einem
erheblichen Mehraufwand auch höher ausfallen können. Die Kesb von sieben Kantonshauptorten verwies
auf die für sie geltende gesetzliche Bandbreite für die Bemessung der Validierungsgebühren, ohne
Aussage auf die tatsächlich praktizierte Gebührenbandbreite. Keine Antwort gab es trotz Nachfrage aus
Sitten.
Weitere Informationen: Leo Hug, Gebührenexperte,
Telefon: +41 79 687 83 93, E-Mail: media@comparis.ch, comparis.ch