"In den Städten versteckt sich die Not oft nur eine Gasse entfernt von einer belebten
Geschäftsstrasse", sagt Kelsang Kone. Zwar habe Äthiopien in den vergangenen Jahrzehnten Fortschritte
gemacht. Im Jahre 2005 waren laut Gesundheitsministerium noch mehr als die Hälfte der Kinder unter fünf
Jahren von "Stunting" betroffen. Darunter versteht man einen chronischen Mangel an ausgewogener
Nahrung, der dazu führt, dass die Kinder zu klein für ihr Alter sind und sie in ihrer körperlichen und
geistigen Entwicklung verkümmern. Im Jahr 2019 waren nur noch 37 Prozent der Kinder durch "Stunting"
beeinträchtigt. "Wir sind besorgt, dass dieser positive Trend durch die Corona-Folgen abbricht und wieder
mehr Kinder an Unterernährung leiden", sagt Kelsang Kone.
Sich ausreichend und ausgewogen
zu ernähren, kostet in Äthiopien laut der Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen FAO
umgerechnet knapp zwei Franken pro Tag und Person. 48 Prozent der Menschen können sich diese
Summe nicht leisten. Die Menschen konzentrieren sich deshalb auf Grundnahrungsmittel und ernähren
sich einseitig. Viele Familien kaufen fast ausschliesslich Weizen oder Mais, verzichten auf Gemüse,
Fleisch und Obst. Die einseitige Ernährung macht sie anfällig für Krankheiten. Gerade die kleinsten Kinder
sind gefährdet. Eines von zwanzig Kindern erlebt seinen fünften Geburtstag nicht.
Bereits vor der
Corona-Krise war eines von fünf Kindern in Äthiopien untergewichtig, wog also signifikant zu wenig für sein
Alter und seine Grösse. "In unseren Projektgebieten sehen wir, dass sich die Ernährungslage der Kinder
aus den armen Familien aufgrund der Krise weiter verschlechtert und Fortschritte zunichte gemacht
werden", sagt Kelsang Kone. Die Schulen sind seit Mitte März geschlossen. Kindergartenkinder und
Schüler erhalten kein Schulessen mehr - für viele war das die wichtigste Mahlzeit des Tages. Laut einer
Studie der Weltbank ist die Beschäftigung im informellen Sektor um 61 Prozent zurückgegangen. Es trifft
gerade die Ungelernten, die von Gelegenheitsarbeiten leben. Arbeitern in den wenigen Exportindustrien
wie Rosenzucht und Textilproduktion werden teilweise die Löhne gekürzt. Der Mindestlohn in den
Nähfabriken liegt bei lediglich 26 Dollar pro Monat. Laut der britischen Zeitung Guardian bekommen
Arbeiter nun teilweise nur noch zehn Dollar ausbezahlt.
Hinzu kommt, dass der landesweite
Warenaustausch durch die Corona-Beschränkungen erschwert sind und die Lebensmittelpreise steigen.
Eine von vier Familien berichtet laut Weltbank, dass sie in den vergangenen 30 Tagen mindestens einmal
keinerlei Nahrungsmittel mehr im Haus hatte: Weithin unbeachtet von der Weltöffentlichkeit hungern die
Kinder in den ärmsten Familien.
Deshalb brauchen die ärmsten Familien jetzt dringend
Lebensmittelhilfe. Menschen für Menschen versorgt besonders bedürftige
Familien in den Slums der Hauptstadt Addis Abeba und der Grossstadt Debre Berhan mit
Überlebenspaketen und teils auch mit Bargeld, damit sie die Mieten ihrer Unterkünfte bezahlen können.
Kurzfristig lindert dies die unmittelbare Not in der Corona-Krise. Langfristig aber geht es darum,
die kleinbäuerliche Landwirtschaft weiter zu stärken, damit Äthiopien mehr und gesunde Nahrung
produziert. Seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts verheerten immer wieder Dürren das
Horn von Afrika. Die Folge waren Hungersnöte, unter denen Millionen Menschen litten. Aus Zorn über
diese "Ungerechtigkeit der Welt" gründete der Schauspieler Karlheinz Böhm Menschen für Menschen. Die Stiftung
bringt seitdem nachhaltige Hilfe in ländliche Bezirke Äthiopiens, indem Kleinbauern und Hirten lernen,
angepasste Land- und Viehwirtschaft zu betreiben.
Daneben entsteht in den Städten eine neue
Herausforderung. Aufgrund der Überbevölkerung in den Dörfern ziehen immer mehr Menschen in die
städtischen Armenviertel. Dort schlagen sie sich als Tagelöhner durch. Diese Familien sind in der Corona-
Krise besonders verletzlich, weil sie keine Rücklagen bilden können. Menschen für Menschen zeigt den Tagelöhnern über
Berufsbildung und Mikrokredite alternative Einkommensmöglichkeiten auf, etwa im Strassenhandel - doch
aufgrund der Pandemie-Beschränkungen funktionieren viele der gegründeten Kleinstunternehmen nicht
mehr. "Das Virus bringt die Not zurück", sagt Kelsang Kone. "Jetzt kommt es darauf an, die Corona-Folgen
für die ärmsten Familien einzudämmen und die langjährig erzielten Fortschritte zu bewahren."
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