Die Themen dieser Woche:
- Gesundheitspolitiker mit dem Kostenröhrenblick im
Gegenwind- US-Konsumenten schultern die Weltkonjunktur- Die Tracing-App kommt – und es ist
eine gute Lösung für die Schweiz- Corona und Ölpreis-Zerfall: Profitieren die Automobilisten in
der Schweiz?
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Freundliche Grüsse
Michael Kuhn
Mediensprecher Comparis
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Corona: Gesundheitspolitiker mit dem
Kostenröhrenblick im Gegenwind
Kurzfristig wird die Corona-Krise nicht zu höheren
Krankenkassenprämien führen. Nach der Krise wird mehr Versorgungssicherheit den
Kostenanstieg stimulieren. Und da wir nach der Krise auch in der reichen Schweiz alle ärmer,
aber nicht gesünder sein werden, wird der Anteil der Gesundheitsausgaben am
Bruttoinlandprodukt von jetzt rund 12 Prozent sprunghaft ansteigen.
Im Moment sind die
Spitäler und die Praxen der Ärzte und Therapeuten aus vier Gründen fast leer:
1. Weil
der Bundesrat nicht dringende Untersuchungen und Eingriffe bis am 27.4. verbietet;2. weil die
Patienten Angst haben, in medizinischen Einrichtungen mit dem Coronavirus angesteckt zu
werden;3. weil es seit dem Lockdown weniger Berufs-, Verkehrs- und Sportunfälle gibt. Positiv
ist, dass die Intensivstationen für Corona-Patienten auch nicht ausgelastet sind. 4. Die Corona-
Patienten verursachen zwar Zusatzkosten, der grosse Anteil aber sind Kosten für den Aufbau
der zusätzlichen Kapazitäten. Diese Vorhalteleistungen werden weder in den ambulanten noch in
den stationären Tarifen abgebildet und müssen wohl von den Kantonen finanziert werden, da fast
nur öffentliche Spitäler Corona-Patienten behandeln. Und von dem, was die Spitäler für die
Behandlung der Corona-Patienten abrechnen, bezahlen die Kantone 55 und die Krankenkassen
45 Prozent.
Der Bundesrat hat aus Vorsicht etwas übers Ziel hinausgeschossen und ein
grosses Feldexperiment in Sachen medizinische Über- bzw. Unterversorgung geschaffen, das
nun vom Obsan ausgewertet werden sollte. Ich sehe zwei Effekte:
- A. Das Verbot für
nicht dringliche Untersuchungen und Operationen und die Ansteckungsangst der Menschen führt
in der zweiten Hälfte zu einem Nachholbedarf und Kostenschub, weil die verschleppten
Diagnosen und Behandlungen nun nachgeholt werden und viel teurer sein werden, als wenn die
Menschen rechtzeitig zum Arzt oder ins Spital gegangen wären. - B. Das Verbot zeigt, wie viel
unnötige Medizin vor dem Verbot konsumiert wurde. Und die Menschen machen in der Corona-
Krise gute Erfahrungen, wenn sie nicht mit jedem Bobo zum Arzt oder in den Spitalnotfall
rennen.
Wenn der Effekt B stärker ist als A, werden die Kosten im laufenden Jahr
weniger stark steigen als im Vorjahr und die Krankenkassenprämien steigen 2020/2021 nach
2019/2020 zum zweiten Mal seit der Einführung des KVG 1996 praktisch nicht. Falls es
entgegen meiner Prognose im laufenden Jahr trotzdem zu einer grösseren Kostensteigerung
kommen sollte als im Vorjahr, weil in der zweiten Welle sehr viele Corona-Patienten die
Kapazitäten an den Anschlag bringen könnten, haben die Krankenkassen über 8 Milliarden
Franken Reserven, um diesen einmaligen Kostenschub zu decken. Damit solche Einmaleffekte
nicht voll auf die Prämien durchschlagen, sind Reserven ja da. Wenn der oben beschriebene
Effekt B stärker ist als A könnten die Kosten trotz Corona insgesamt sogar sinken.
Zur
Zeit streiten sich Bund, Kantone und Kassen über die Kosten der Vorhalteleistungen für Corona-
Patienten. Dass die Kassen nur für erbrachte medizinische Leistungen bezahlen ist klar. Wenn
der Staat die Erhöhung der Kapazitäten anordnet, muss er die Kosten auch tragen. Bund und
Kantone sollten sich also rasch und gutschweizerisch über den Kostenteiler einigen.
Wir
wissen immer noch relativ wenig darüber, wie sich das Coronavirus (SARS-Cov-2) verbreitet. Die
Infektionen werden leider schweizweit immer noch nicht stetig und einheitlich an Test-
Stichproben gemessen. Deshalb wissen wir immer noch nicht, wie viele Menschen in der
Schweiz das Coronavirus haben oder schon hatten. Wir wissen auch nicht, wie viele Menschen
schon Antikörper haben und immun sind bzw. wie lange die Immunität hält.
Angesichts
der dünnen Datenlage und der dramatischen Situation in Norditalien musste man sogar
befürchten, dass eine Verdopplung der Kapazitäten für Corona-Patienten vielleicht nicht genügen
könnte. Dass die Kapazitäten bis jetzt noch nicht ausgelastet sind, ist also positiv zu bewerten.
Dass wir – ich ebenfalls – trotz Epidemiengesetz, trotz Pandemieplan und trotz Bericht
Zeltner so schlecht auf eine Pandemie wie COVID-19 vorbereitet sind, ist eigentlich ein happiges
Staatsversagen. Jetzt müssen wir aber zuerst einmal die Krise mit vereinten Kräften überstehen.
Die Lehren müssen wir ziehen, wenn die Krise vorbei ist. Das Konkordanzsystem wird auch nach
dieser Krise selbst bei schwerwiegenden Versäumnissen nicht dazu führen, dass der
Gesundheitsminister den Hut nehmen wird. Und Bauernopfer wird es hoffentlich keine geben.
Wir werden uns vielmehr auf die Schultern klopfen und sagen, dass wir die Krise mit weniger
Schaden als andere Länder überstanden haben. Den Gesundheitspolitikern mit dem
Kostenröhrenblick wird ein steifer Gegenwind entgegen blasen. Weil die Kantone die
Behandlung der Corona-Patienten primär öffentlichen Spitälern übertragen haben, wird die Linke
die Jagd auf die Privatspitäler wohl in der Westschweiz eröffnen.
Ich hoffe, dass nach
der Corona-Krise nicht Ideologien die Gesundheitspolitik noch stärker prägen werden, sondern
weiterhin der typisch schweizerische Pragmatismus auf der KVG-Basis mit Eigenverantwortung
und Solidarität sowie staatlichen und privaten Gesundheitsinstitutionen im Gleichgewicht. Wer
glaubt, sich mit mehr Staat für die nächste Krise rüsten zu müssen, irrt sich ebenso wie jene, die
auf mehr Markt setzen. Die nächste Krise wird fast sicher eine andere sein. Deshalb muss
Agilität die Kernkompetenz der Krisenstäbe sein, damit man rasch lernt und Fehler rasch
korrigiert.
Und immer wenn die Versorgungssicherheit gefährdet ist, blüht das Geschäft
der Protektionisten. Die Land- und Stromwirtschaft macht es vor. Auch die Gesundheitswirtschaft
wird die Rechnung für mehr Produktion im Inland präsentieren. Aber machen wir uns in der
globalisierten Welt nichts vor. Wir hatten am Anfang der Corona-Krise zu wenig Testkapazitäten,
weil ein Teil des Testmaterials ausgerechnet aus Norditalien hätte geliefert werden sollen und
nicht etwa aus China oder Indien wie viele Wirkstoffe in unseren Medikamenten. Und da wir die
nächste Krise nicht genau vorhersagen können, wissen wir auch noch nicht, welche Vorräte wir
jetzt anlegen müssen. Und Vorräte für alle Eventualitäten kann sich auch die reiche Schweiz
nicht leisten, erst recht nicht, wenn sie nach der Corona-Krise etwas ärmer sein wird.
Felix Schneuwly, Comparis-Gesundheitsexperte
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US-Konsumenten schultern die Weltkonjunktur
Die USA sind das neue Epizentrum
der Corona-Pandemie. Knapp 800'000 Menschen haben sich mit Covid-19 infiziert, wobei die
Dunkelziffer weitaus höher ist. Fast 50'000 Menschen sind daran verstorben (Stand 23. April
2020) – so viele wie in keinem anderen Land der Welt. Die menschliche Tragödie wird von einem
ökonomischen Desaster begleitet. Mehr als 26 Millionen Menschen in den USA haben sich
schon arbeitslos gemeldet. Das sind rund 14 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung. Im
Vergleich dazu manövriert die Schweizer Regierung das Land einigermassen gut durch die
wirtschaftliche Krise – dank milliardenschweren Hilfskrediten, Taggeldern für
Selbstständigerwerbende und Kurzarbeit. Die Wirtschaft muss hierzulande aber bald wieder an
Fahrt aufnehmen, sonst werden unzählige Kurzarbeiterinnen und -arbeiter arbeitslos.
Die Schweizer Unternehmen schaffen das aber nicht aus eigener Kraft. Der hiesige
Binnenmarkt ist dafür viel zu klein. Unser kleines Land im Herzen Europas ist auf die anderen
angewiesen, damit der Wirtschaftsmotor auf Touren kommt. Die Europäische Union, allen voran
Deutschland, ist der wichtigste Absatzmarkt für die Schweiz, gefolgt von den USA. Die
Vereinigten Staaten spielen aber nicht nur für die Schweizer Wirtschaft eine zentrale Rolle,
sondern für die gesamte Weltkonjunktur. Die amerikanische Wirtschaft, die mit Abstand grösste
der Welt, ist vor allem eine gigantische Konsummaschine. Ein Volk von 330 Millionen Menschen,
das sind etwa 4.3 Prozent der Weltbevölkerung, konsumiert jährlich Güter und Dienstleistungen
im Wert von 14 Billionen Dollar. Das sind 17 Prozent des Welt-Bruttoinlandprodukts.
Diese Zahlen zeigen es deutlich auf: Reduzieren die Amerikaner ihren Konsum, gehen auch
die Umsätze Schweizer Unternehmen zurück. Von einem ökonomischen Standpunkt aus
betrachtet, ist somit zu hoffen, dass die US-Regierung die Corona-Pandemie bald in den Griff
kriegt, die Wirtschaft sukzessive hochfährt und die Amerikaner wieder shoppen gehen.
Frédéric Papp, Comparis-Finanzexperte
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Die
Tracing-App kommt – und es ist eine gute Lösung für die Schweiz
Seit Kurzem ist klar,
dass das BAG für die Schweiz bei der Entwicklung einer Tracing-App auf eine dezentrale Lösung
setzt. Schon am 11. Mai soll die App einsatzbereit sein. Die Entwicklung haben massgeblich
Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschulen Lausanne (EPFL) und Zürich (ETH)
vorangetrieben. Im Zentrum steht, dass die Personen, welche der Smartphone-Besitzer trifft,
gespeichert werden, damit im Fall einer Infektion und positiven Tests auf das Coronavirus
Personen gewarnt werden können, die mit der infizierten Person in Kontakt waren. Die Daten
werden dabei anonymisiert und dezentral auf dem Smartphone abgelegt. Das ist aus
Datenschutz-Sicht die beste Lösung für die Nutzer. Auch die Entwicklung von Apple und Google
basiert auf dem dezentralen Ansatz. Wenn in deren Betriebssysteme vermutlich ab Juni das
Tracking integriert wird, ist die Nutzung der App noch komfortabler.
Wie viele Menschen
sich entscheiden werden, die App zu nutzen, ist schwer vorherzusagen. Wir haben in der
Schweiz aber in jedem Fall beste Voraussetzungen. Zum einen haben über 90 Prozent der
Menschen ein Smartphone und haben die nötige Bluetooth-Funktion zur Nutzung von
Smartwatches oder Kopfhörern ohnehin aktiviert. Zum anderen glaube und hoffe ich, dass die
Menschen den persönlichen Nutzen erkennen und schätzen, der in einer solchen App liegt. Ob
die Tracing-App die Verbreitung von 60 oder 70 Prozent erreicht, um maximale Wirkung zu
entfalten, halte ich nicht für entscheidend. Auch bei einer geringeren Zahl an Teilnehmern kann
die Zahl der Ansteckungen verringert werden. Die Aussage, dass die App ohnehin nichts nütze,
weil sich nicht genug Leute für die Nutzung entscheiden, finde ich falsch. Ich bin überzeugt, dass
die App ein wichtiges Puzzleteil ist, um das Coronavirus einzudämmen.
Jean-Claude Frick, Comparis-Digitalexperte
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Die Frage der Woche:
Werden Benzin und Diesel günstiger?
Der Ölpreis ist auf Rekordtief:
Wird Tanken an der Zapfsäule nun billiger?Antwort von Comparis-
Mobilitätsexpertin Andrea Auer: Die Corona-Pandemie stürzt die Weltkonjunktur in eine
Rezession. Flugzeuge bleiben am Boden, Autos in den Garagen und die Industrieunternehmen
reduzieren Produktionskapazitäten. Das alles führt zu einer geringeren Nachfrage nach fossilen
Brennstoffen. Schätzungen zufolge wird zurzeit 20 bis 30 Prozent weniger Öl verbraucht als vor
der Corona-Krise.
Der deutliche Nachfragerückgang nach dem schwarzen Gold ist
mitverantwortlich dafür, dass der Preis für Erdöl vor Kurzem zum ersten Mal in seiner Geschichte
ins Negative gestürzt ist. Heisst das nun, dass Autofahrer bald deutlich weniger fürs Tanken
bezahlen müssen?
Dauert die Rezession noch länger an und übertrifft das Angebot an
Erdöl weiterhin die Nachfrage, dann darf tatsächlich mit tieferen Spritpreisen an den Zapfsäulen
gerechnet werden. Das Sparpotenzial ist allerdings begrenzt. Grund dafür ist die
Zusammensetzung der Treibstoffpreise. Diese werden nicht nur von den Erdölnotierungen an
den Rohstoff-Börsen alleine bestimmt – mehr als die Hälfte des Preises sind staatliche Abgaben:
Mineralölsteuer, Mineralölsteuerzuschlag und Importsteuer summieren sich auf rund 73 Rappen
beim Benzinpreis beziehungsweise auf rund 76 Rappen beim Dieselpreis. Hinzu kommen
Kosten für den inländischen Vertrieb wie etwa die Lagerung, den Transport, das Marketing oder
für den Betrieb der Tankstellen. Deshalb – und aufgrund weiterer Einflussfaktoren – ist davon
auszugehen, dass die Ersparnis an der Zapfsäule vergleichsweise gering ausfallen wird.
Andrea Auer, Comparis-Mobilitätsexpertin
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