Zum wiederholten Male ist die Schweiz im europäischen Vergleich der Massnahmen zur Eindämmung
des Tabakkonsums zurückgefallen. Es ist die Folge eines Jahrzehnts des Stillstands in der
schweizerischen Tabakpräventionspolitik: 2016 belegte die Schweiz noch den 21. Platz und 2013 den 18.
Platz. Besonders bei der Tabakwerbungbeschränkung erhält die Schweiz wieder besonders schlechte
Noten: Kein anderes Land im Rating schneidet in dieser Kategorie so schlecht ab.
Zum fünften
Mal in Folge seit 2007 belegt das Vereinigte Königreich den ersten Platz und Irland einen Platz unter den
Top Drei der Rangliste. Die Erfolge der beiden Länder lassen aufhorchen: Im Vereinigten Königreich hat
der Anteil volljähriger Raucherinnen und Raucher seit 2011 um fünf Prozent abgenommen. Er lag 2018
noch bei 15 Prozent. In Irland sank der Anteil der Raucherinnen und Raucher zwischen 2015 und 2019 um
sechs Prozent, von 23 auf 17 Prozent. Zum Vergleich: In der Schweiz rauchen 27 Prozent der Personen,
bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind es sogar 32 Prozent. Ein Wert der sich seit 2007 auf
hohem Niveau eingependelt hat.
Jugendschutz verhindert
Im Gegensatz zur Schweiz
verbessern die meisten europäischen Staaten ihre Massnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums
konsequent. 2014 hat die Europäische Union neue Standards beschlossenen, die in vielen Bereichen weit
über die Massnahmen in der Schweiz hinausgehen: So ist beispielsweise ab 20. Mai 2020 in allen Staaten
der Europäischen Union der Verkauf von aromatisiertem Tabak verboten. Dieser spricht besonders
Jugendliche an. Das EU-weite Verbot von Stoffen welche das Inhalieren erleichtern (und damit die
Nikotinabhängigkeit begünstigen) trat bereits 2016 in Kraft. In der Schweiz wehrte sich die Tabaklobby
erfolgreich gegen entsprechende Vorschläge. Weiter haben in Europa seit 2017 bereits 8 Länder neutrale
Zigarettenpackungen (plain packaging) eingeführt oder setzen diese Massnahme zur Zeit um. Eine sehr
effektive Massnahme, die von der Tabaklobby mit allen Mitteln bekämpft wird.
Europa hängt die
Schweiz ab
2016 lehnten National- und Ständerat einen ersten moderaten Vorschlag für ein
Tabakproduktegesetz ab. Im neuen Entwurf beharrt das Parlament in vielen Fällen auf dem Status quo
oder favorisiert lediglich zaghafte Verbesserungen im Kinder- und Jugendschutz, die in den meisten
Ländern Europas bereits überholt sind. Beschliesst das Parlament das Tabakproduktegesetz in der
vorliegenden Fassung, verpasst die Schweiz ein weiteres Mal die Chance für einen zeitgemässen
Umgang mit Nikotin und Tabak.
Die Schweiz hat die internationale Rahmenkonvention über die
Tabakkontrolle (FCTC) der Weltgesundheitsorganisation WHO von 2004, welche gemeinsame gesetzliche
Mindeststandard definiert, bislang nicht ratifiziert. In Europa haben dies, neben der Schweiz, nur Andorra,
Liechtenstein und Monaco ebenfalls noch nicht getan. Umfragen aus den letzten Jahren zeigen aber, dass
eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung ein Werbeverbot für Tabakprodukte und höhere Tabaksteuern
klar befürworten würde .
Verkaufspreis als Mittel der Prävention blockiert
Hohe
Tabaksteuern sind das wirksamste Mittel, um den Konsum von Tabak- und auch Nikotinprodukten zu
reduzieren, insbesondere bei jungen Menschen. Diesen Schutzmechanismus hat das Parlament auf Druck
der Tabaklobby blockiert: Seit 2013 hat der Bundesrat keine Kompetenz mehr die Tabaksteuer zu erhöhen.
Sämtliche schleichenden Preiserhöhungen seither kommen von Seite der Produzenten. In Europa
hingegen nutzen die Staaten die Tabaksteuer als Instrument der Gesundheitspolitik. Die Hälfte aller EU-
Staaten erheben inzwischen eine Tabaksteuer von 75 Prozent und mehr auf ein Päckchen Zigaretten. Das
hohe schweizerische Preisniveau, im Vergleich mit der EU, verdeckt diese Tatsache. In unserm
Nachbarland Frankreich wird ein Päckchen Zigaretten ab November 2020 im Schnitt 10 Euro kosten.
Bei E-Zigaretten herrscht der Wilde Westen
Die Schweiz verfügt heute über keinerlei nationale
Regulierung für E-Zigaretten. Diese soll erst mit dem Tabakproduktegesetz eingeführt werden, eventuell in
zwei, drei Jahren. Bis dahin gibt in der Schweiz auf Bundesebene kein gesetzliches Mindestabgabealter,
keine gesetzliche Werbeeinschränkungen und keinen Schutz vor «Passivrauchen» bei E-Zigaretten.
Zudem sind E-Zigaretten nicht der Tabaksteuer unterstellt und deshalb verhältnismässig günstig, was
gerade bei Jugendlichen falsche Anreize setzt. Vereinzelt springen Kantone in die Bresche und wollen die
kantonalen Bestimmungen für Zigaretten auch auf E-Zigaretten und andere neue Tabak- und
Nikotinprodukte ausdehnen. Aktuell sind lediglich im Wallis und in Basellandschaft ein
Mindestverkaufsalter für E-Zigaretten in Kraft.
Frankreich hat als erster unserer Nachbarn
umfassend gehandelt und die E-Zigaretten etwa beim Mindestverkaufsalter und den Werbebestimmungen
den Zigaretten gleichgesetzt. Die Schweiz darf nicht länger warten: Sie ist auch bei E-Zigaretten im
Rückstand.
«The Tobacco Control Scale 2019 in Europe»
Der Verband der europäischen
Krebsligen vergleicht seit fünfzehn Jahren, welche Massnahmen die Staaten in Europa zur Eindämmung
des Tabakkonsums ergreifen, und listet diese in seiner «Tobacco Control Scale in Europe» auf.
Die aktuelle Tobacco Control Scale 2019 wurde am 20. Februar an der «8th European Conference on
Tobacco or Health» in Berlin veröffentlicht.
Den vollständigen Bericht finden Sie unter www.tobaccocontrolscale.org zum Herunterladen.
Tabakkonsum in der Schweiz:
Zahlen
Der Tabakkonsum verursacht in der Schweiz jährlich 9'500 Todesfälle. Zum Vergleich: Pro
Jahr sterben im Strassenverkehr rund 250 Personen und durch die jährliche Grippewelle 2500 Personen.
Der Tabakkonsum ist in der Schweiz für 10 Prozent aller durch Tod und Krankheitsleiden
verlorenen bzw. beeinträchtigten Lebensjahren verantwortlich.
Der Tabakkonsum verursacht in der
Schweiz direkte medizinische Kosten von mindestens 3 Milliarden Franken. Es sind dies Kosten, die für
die Behandlung von tabakbedingten Erkrankungen anfallen. Die Produktionsverluste durch den
Tabakkonsum betragen zusätzlich 2 Milliarden Franken. Die volkswirtschaftlichen Kosten betragen somit
jährlich mindestens 5 Milliarden Franken.
Weitere Informationen finden Sie unter http://ots.ch/bcuI8v.
Kontakt:
Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention
Wolfgang Kweitel
Kommunikationsmanager Politik
079 648 80 82
wolfgang.kweitel@at-schweiz.ch