ZHAW School of Management and Law
Konzernverantwortung: Grösste deutsche
Unternehmen bleiben bei Menschenrechten hinter Erwartungen zurück
Keines der
grössten deutschen Unternehmen erfüllt alle grundlegenden Anforderungen an unternehmerisches
Verhalten, wie sie in den 2011 vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedeten UN-Leitprinzipien für
Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) festgelegt sind. Stattdessen erhält jedes der untersuchten
Unternehmen in mindestens einer der zwölf Kernanforderungen null Punkte. Dies zeigt die Studie
"Achtung der Menschenrechte" der ZHAW School of Management and Law und des Business and Human
Rights Resource Centers (BHRRC), welche die zwanzig nach weltweitem Umsatz grössten deutschen
Unternehmen mit dem "Corporate Human Rights Benchmark"-Ansatz bewertet (siehe letzter Abschnitt).
Ausgewertet wurden im Frühjahr 2019 öffentlich zugängliche Informationen, welche die Unternehmen
selber veröffentlicht haben: Websites der Unternehmen, ihre formelle finanzielle und nicht-finanzielle
Berichterstattung und andere öffentliche Dokumente.
VW, DHL & Co. können Sorgfaltsprüfung
nicht durchgängig nachweisen
Acht von zehn Unternehmen erzielen weniger als 40 Prozent der
maximal erreichbaren 24 Punkte. Zu den Unternehmen mit insgesamt niedrigsten Punktzahlen (zwischen
20 und 30 Prozent) gehören die bekannten Namen Deutsche Post DHL, Deutsche Bahn und Deutsche
Bank. Volkswagen erreicht 42 Prozent, welches der Durchschnittspunktzahl entspricht. Siemens ist mit 60
Prozent (14,5 von 24 Punkten) das am besten bewertete Unternehmen.
"90 Prozent der
Unternehmen konnten nicht aufzeigen, dass sie menschenrechtliche Risiken adäquat im Sinne der UN-
Leitprinzipien handhaben", sagt ZHAW-Forscher Herbert Winistörfer, Hauptautor der Studie. Lediglich zwei
Unternehmen, Daimler and Siemens, erzielten Punkte in jeder der vier Kernanforderungen im Bereich der
menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht. "Die Sorgfaltsprüfung war der am niedrigsten bewertete Bereich
insgesamt, da die meisten Unternehmen nicht nachweisen konnten, dass sie die UNGP-Anforderungen
zur Bewertung folgenschwerer Menschenrechtsrisiken erfüllen", so Winistörfer. Weiter zeigt die Studie,
dass viele Unternehmen die Rechte der Arbeitnehmenden als Teil ihrer meist hochkomplexen Lieferketten,
das Engagement gegenüber betroffenen Interessengruppen wie zum Beispiel lokalen Gemeinschaften und
den Zugang zu rechtlichen Hilfsmitteln (Rechtsbehelfen) in ihrer Menschenrechtspolitik nicht explizit
abdecken und nicht nachweisen, dass ihre Beschwerdemechanismen wirksam sind. Beispielsweise stellen
nur zehn Unternehmen ansatzweise sicher, dass auch Mitarbeitende von Lieferanten Anliegen und
Beschwerden vorbringen können. "Statt potenzielle Schäden für die Betroffenen stehen bei der
Risikobewertung die potenziellen Schäden fürs Unternehmen wie Reputationsverluste im Fokus", so das
Fazit des ZHAW-Forschers.
Achtung der Menschenrechte per Gesetz
Die deutsche
Bundesregierung hat sich für 2020 zum Ziel gesetzt, dass mindestens 50 Prozent der deutschen
Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern einen effektiven Menschenrechtsschutz eingeführt haben
sollen. Wenn diese freiwillige Umsetzung nicht gelingt, sollen - gemäss dem aktuellen Koalitionsvertrag
der Bundesregierung - die Unternehmen gesetzlich zur Umsetzung einer menschenrechtlichen
Sorgfaltspflicht verpflichtet und auf eine EU-weite Regulierung gedrängt werden. Die betroffene breitere
Gruppe von Unternehmen dürfte es schwer haben, diese grundlegenden Anforderungen an
unternehmerisches Verhalten zu erfüllen, wie die Ergebnisse der ZHAW-Studie vermuten lassen.
"In welche Richtung eine mögliche Regulierung in Deutschland gehen wird, lässt sich zur Zeit nur
schwer abschätzen. Diskutiert werden sowohl eine Pflicht zu mehr Transparenz, verpflichtende Vorgaben
für eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung mit behördlicher Kontrolle oder eine erweiterte Haftung der
Unternehmen analog zur Schweizer Konzernverantwortungsinitiative", erklärt Winistörfer.
Angewandte Methodik gemäss Corporate Human Rights Benchmark
Die Studie bewertet
Unternehmen aufgrund von zwölf Kernindikatoren des Corporate Human Rights Benchmark (CHRB),
welche branchenübergreifend einsetzbar sind und die Anforderungen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft
und Menschenrechte (UNGPs) an Unternehmen abbilden. Sie umfassen die drei Bereiche Governance
und politische Verpflichtungen, Einbettung von Respekt und Sorgfaltspflicht im Bereich der
Menschenrechte sowie Mechanismen für Rechtsbehelfe und Beschwerden. Für jeden der zwölf
Kernindikatoren wurden die Unternehmen mit null bis zwei Punkte bewertet. Ein Punkt wurde vergeben,
wenn die grundlegende Anforderungen erfüllt wurden, zwei Punkte wenn sie übertroffen wurden.
Kontakt
Herbert Winistörfer, Autor und Mitherausgeber der Studie, ZHAW School of
Management and Law, Telefon +41 58 934 76 75, E-Mail: herbert.winistoerfer@zhaw.ch
ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Corporate Communications,
Gertrudstrasse 15, CH-8401 Winterthur, Tel. +41 58 934 75 75, medien@zhaw.ch, www.zhaw.ch/medien